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Umsatzanteil des Internetgeschäftes wächst Online-Handel: Regionale Firmen mischen mit

Der Handel befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch: Immer mehr Kunden gehen nicht mehr ins Kaufhaus, sondern bestellen ihre Waren online. Im neuen Milliarden-Geschäft mischen auch Firmen aus Sachsen-Anhalt mit.

20.09.2014, 01:05

Barleben/Halle l Maren Hellwig hat für ihren Online-Versand Blumenfee.de erst vor Kurzem neue Büroräume in Barleben bezogen, der alte Standort in Rottmersleben wurde ihr zu klein. "Ich möchte in zehn Jahren zu den Top Drei der Blumenversender in Deutschland zählen", sagt die 31-Jährige und zeigt auf ihren Computer-Bildschirm. Die Internet-Adresse ihres Shops wird von Suchmaschinen bereits an vierter Stelle gelistet - wenn Nutzer Stichwörter wie Blumenversand eingeben.

Auf die Idee, Blumen im Internet zu vertreiben, kam Hellwig bereits während ihres Studiums. "Ich bin in der grünen Branche groß geworden, mein Vater besitzt drei Blumenläden in Haldensleben", erzählt sie. Selber in das stationäre Geschäft einsteigen wollte Hellwig nicht. "Der Wettbewerb dort ist hart geworden. Einerseits hat die Geiz-ist-Geil-Mentalität die Preise gedrückt, andererseits graben Baumärkte den Blumenläden das Wasser ab."

"Der Kampf um Anteile auf dem Markt hat gerade erst begonnen."

Das Internet-Geschäft wächst hingegen, erklärt Hellwig. "Immer mehr Leute kaufen online ein - das gilt auch für Blumen." Der Trend allein mache aber noch nicht den Erfolg ihres Versandhandels aus: "Wir verschicken nicht nur Sträuße. Kunden können bei uns Geschenk-Kombinationen bestellen." Hierfür hat Hellwig einen Karton entwickelt, in dem neben dem Strauß auch die passende Vase sowie Weinflaschen, Kuscheltiere und Grußkarten Platz finden. "Es soll für den Empfänger ein Überraschungspaket sein", sagt Hellwig. Der Umsatz liege derzeit im sechsstelligen Bereich, genauer will sich die Unternehmerin nicht äußern.

Der gesamte Online-Handel hat in den vergangenen zehn Jahren seinen Umsatz mehr als verdoppelt. Laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) stieg dieser von 14,5 Milliarden Euro im Jahr 2005 auf 33,1 Milliarden Euro in 2013. In diesem Jahr soll der Umsatz um satte 17 Prozent auf 38,7 Milliarden Euro anwachsen. "Der Anteil der Online-Branche am Gesamtgeschäft des Handels macht bislang zwar nur knapp zehn Prozent aus, aber wir gehen davon aus, dass der Anteil bis 2020 auf 20 Prozent wächst", sagt HDE-Referent Stefan Hertel.

Ein Stück vom großen Online-Kuchen will auch Martin Menz abhaben: "Der Kampf um Anteile auf diesem Zukunftsmarkt hat gerade erst begonnen." Er hat 2006 in Halle den Online-Versandhandel Relaxdays.de gegründet. Mittlerweile beschäftigt der 28-Jährige 70 Mitarbeiter und macht mit Lifestyle-Artikeln elf Millionen Euro Umsatz. "Wir verkaufen über das Internet Produkte im Bereich Haus, Garten und Freizeit - vom Geschirrset über Gartenschläuche bis hin zum Camping-Zubehör ist alles dabei", erzählt Menz. Auf die Idee, ins Online-Geschäft einzusteigen, kam er, als er 2006 im Spanien-Urlaub in einem Geschäft auf ein Kopfmassage-Gerät stieß. "So etwas hatte ich bis dahin noch nicht in Deutschland gesehen und habe deshalb nach dem Urlaub zehn Stück davon gekauft und bei der Online-Handelsplattform Ebay annonciert." Zum Jahresende verkaufte Menz nicht nur die zehn Stück. Aufgrund der hohen Nachfrage orderte er Geräte nach und vertrieb davon letztendlich 100000 - es war der Start für seine unternehmerische Erfolgsgeschichte.

2000 Pakete versendet Menz mittlerweile pro Tag, nach eigenen Angaben kaufen etwa 600000 Kunden in seinem Online-Shop ein. "Wir haben uns vorgenommen, in diesem Jahr erneut um 30 bis 35 Prozent zu wachsen", erzählt Menz. Sein 15000 Quadratmeter großes Lager in Halle will er deshalb auch noch erweitern. "Wir wollen verstärkt dazu übergehen, nicht nur Waren anzukaufen, sondern auch in Eigenregie zu produzieren." Außerdem plant Menz, im Ausland zu expandieren. "Mit DHL und DPD haben wir zwei Logistik-Partner, denen wir vertrauen."

"Viele Kaufhäuser haben die Entwicklung verschlafen."

Das rasante Wachstum, das Online-Händler wie Menz an den Tag legen, geht auf Kosten der klassischen Geschäfte und Kaufhäuser. "Dass Baumärkte Insolvenz angemeldet haben, liegt auch an Online-Shops wie unserem, denn wir vertreiben manche Produkte, die es im Baumarkt gibt, noch günstiger", sagt Menz. "Gleiches gilt für Kaufhäuser wie Karstadt - viele haben hier die Entwicklung verschlafen."

Eine Umfrage des Instituts für Handelsforschung (IFH) stützt die Annahmen des jungen Unternehmers. Dort gaben 31 Prozent der befragten Händler an, dass die Kundenfrequenzen in ihren Läden stark zurückgegangen seien. Weitere 43 Prozent litten unter leichten Rückgängen. Der Handelsverband HDE geht sogar davon aus, dass aufgrund des Online-Booms bis 2020 rund 50000 klassische Handelsfirmen vom deutschen Markt verschwinden. "Das gilt vor allem für Einzelhändler, die nicht in Genossenschaften oder Verbandsgruppen eingebunden sind", erklärt HDE-Referent Stefan Hertel. "Für die Innenstädte könnte das dazu führen, dass individuelle Geschäfte weniger werden und sich Handelsketten mit ihren Filialen noch weiter ausbreiten." Verschlafen haben die Entwicklung auch Platzhirsche wie Media-Saturn und Staples. Gleich mehrere Online-Händler wie Notebooksbilliger.de oder Cyberport.de machen ihnen Kunden abspenstig, die Computer und andere Elektronikartikel kaufen. Eine lukrative Nische besetzt in diesem Zusammenhang auch das Unternehmen Mercateo in Köthen. Es handelt sich dabei um eine Online-Beschaffungsplattform, auf der Geschäftskunden Bürobedarf, Elektronik und vielfältige Industriegüter kaufen können. "Weil in nahezu allen Produktkategorien zumeist mehrere Lieferanten vergleichbare Artikel anbieten, steht Geschäftskunden ein umfassendes Sortiment mit günstigen Preisen für ihren Online-Einkauf zur Verfügung", erklärt Geschäftsführer Lars Schade.

135 Millionen Euro Umsatz macht Mercateo und beschäftigt 301 Mitarbeiter. Nach eigenen Angaben ist das 1999 gegründete Unternehmen eines der führenden Beschaffungsplattformen für Firmen in Europa. "Wir liefern in zehn Länder", berichtet Lars Schade. Durch das Internet könne nicht nur Mercateo schnell expandieren: "Ein Werkzeughersteller aus Magdeburg zum Beispiel verkauft erstmals durch unsere Plattform auch an Kunden im Ausland."

"Für Kunden auf dem Land ist Einkaufen im Internet attraktiv."

Ob im Bereich Geschäftskunden oder Privatkunden - auch Schade geht davon aus, dass der Online-Handel sich stark ausbreitet. "Gerade für Kunden auf dem Land ist das Einkaufen im Internet sehr attraktiv", sagt er. Der Handel in den Innenstädten müsse deutlich mehr tun, um auch in Zukunft noch Kunden anzuziehen. "Möglicherweise wird es ja bald Apps für mobile Geräte geben, anhand derer die Kunden abrufen können, was es in den Geschäften der Innenstädte gibt - eine solche Verzahnung von Online und Offline halte ich für realistisch." Relaxdays-Gründer Martin Menz sieht das ähnlich: "Der stationäre Handel muss sich neu erfinden - weitere zehn Jahre Stillstand wird er nicht verkraften."

Aber auch der Online-Handel ist ein schnelllebiges Geschäft, weiß Maren Hellwig. Sie will in nächster Zeit deshalb ihren Internetauftritt für mobile Geräte optimieren. "Die Kunden kaufen nicht mehr nur vom PC aus ein - sie tippen ihre Bestellungen auch ins Smartphone. Für die kleinen Bildschirme müssen die Seiten übersichtlich sein, damit sich die Kunden auch noch zurecht finden und nicht das Falsche anklicken." Nach Zahlen des Handelsverbands HDE nutzen bereits knapp 30 Millionen Menschen in Deutschland mobile Geräte - ein weiterer Trend, dem sich der Handel anpassen muss.