1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Odyssee einer Flüchtlingsfamilie

Drohende Abschiebung Odyssee einer Flüchtlingsfamilie

Mit mehr als 1200 Flüchtlingen kam Familie Haji im Jahr 2011 aus Libyen über das Mittelmeer nach Italien. Von dort reiste die Familie nach Deutschland ein, wurde abgeschoben, kam zurück und soll nun erneut das Land verlassen. Hassan Haji sagt, dass er seit seinem 11. Lebensjahr unterwegs ist. Eine Begegnung.

26.09.2014, 03:11

Magdeburg l Der Regen klatscht gegen die Fensterscheiben. Das Treffen mit Familie Haji findet in einem Auto am Stadtrand von Magdeburg statt. Nach der Wiedereinreise nach Deutschland lebt die junge Familie wieder in Sachsen-Anhalt und wartet erneut auf die Abschiebung, da auch der Asylfolgeantrag kürzlich abgelehnt worden ist (Volksstimme berichtete). Das Gebäude am Rande von Magdeburg gehört der Stadt. Fotografieren ist wie in dem Asylbewerberheim an der Grusonstraße nicht erwünscht. Das Treffen muss deshalb außerhalb stattfinden.

"Wir suchen jetzt Kirchenasyl", sagt Hassan Haji, der neben Französisch auch gut englisch spricht. Zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er derzeit in dem Übergangsheim am Stadtrand von Magdeburg. "Am schlimmsten ist die Ungewissheit. Wir mussten zurückkommen. In Italien hat sich niemand um uns gekümmert", sagt er - und erzählt damit eine andere Geschichte als die Ausländerbehörde in Magdeburg

Laut Behörde hat sich die Familie in Italien in der Toskana aufgehalten und wurde versorgt. "In Rom haben wir drei Tage auf dem Bahnhof übernachtet. Nachts haben wir in einem leeren Zug geschlafen", sagt Hassan Haji. Eine unbekannte Italienerin habe die Zugfahrt zurück nach Deutschland bezahlt. In München sei die Familie dann erneut von den Behörden aufgegriffen worden und über Halberstadt nach Magdeburg gelangt. In der Landeshauptstadt lebte die Familie erst in dem Heim an der Grusonstraße, nun am Stadtrand. Da der Asylfolgeantrag auch abgelehnt wurde, muss die Familie jetzt erneut das Land verlassen und sucht daher Kirchenasyl.

"Seit meinem 11. Lebensjahr bin ich unterwegs", sagt der aus Mali stammende Hassan Haji. In Libyen habe er zuletzt als Fahrer gearbeitet. "Dort haben wir uns wohlgefühlt. Der Krieg zwang uns zur Flucht", sagt er. Gemeinsam mit seiner Frau und 1200 anderen Flüchtlingen kam er in einem Boot über das Mittelmeer nach Italien. Eine Geschichte, die sich derzeit nahezu täglich wiederholt. Nach Deutschland sei er gekommen, weil das Leben als Flüchtling in Italien nicht haltbar sei. Lager seien überfüllt, Behörden überfordert. Die Familie zog weiter nach Deutschland und landete schließlich in Magdeburg. In Europa kamen die zwei Kinder zur Welt, ein drittes ist unterwegs.

Da der Asylantrag erneut abgelehnt wurde, bleibt der Familie nun nur noch das Kirchenasyl. Erste Kontakte mit Gemeinden soll es bereits gegeben haben, doch bisher erfolglos. Damit hat Familie Haji vor, dem Beispiel Mohamed Camaras (Volksstimme berichtete) zu folgen. Der aus Mali stammende Mann sollte ebenfalls abgeschoben werden, flüchtete aber kurz vorher und erhielt in der evangelischen St.-Petri-Gemeinde in Wolgast (Mecklenburg-Vorpommern) Kirchenasyl. Dort soll sich der junge Mann noch immer aufhalten. Rechtlich ist diese Situation eine Grauzone. Kirchen haben keinen Sonderstatus, doch es wäre höchst ungewöhnlich, wenn eine Behörde die Abschiebung auf Kirchengelände durchziehen würde.

Für Flüchtlinge eröffnet sich nach sechs Monaten eine neue Option. Denn wird in dieser Zeit die Abschiebung nicht ausgeführt, wird in aller Regel das Asylverfahren neu aufgenommen. Allerdings gibt es Hinweise, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diese Regelungen verschärfen will, weil die Zahl der Kirchenasyle stark angestiegen ist.