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Stadtrats-Neuwahl "Stehen unter besonderer Beobachtung"

Die zahlreichen Briefwahl-Fälschungen vom Mai dürften die Wiederholung
der Briefwahl am 9. November zum Scheitern gebracht haben. Stendals
Politik steht vor einer schweren Zeit. Für die Wahlen 2015 muss neues
Vertrauen aufgebaut werden.

27.11.2014, 01:16

Stendal l Nachdem zunächst im Rathaus als Termin Mitte Juni für die Oberbürgermeisterwahl favorisiert wurde, war auf Vorschlag des Landkreises zuletzt der 19. April im Gespräch. Doch dieser Termin gilt für etliche Kommunalpolitiker bei einer Koppelung mit der Stadtratswahl für zu knapp.

Oberbürgermeister Klaus Schmotz (CDU) hält eine Neuwahl des Stendaler Stadtrates "für die beste Lösung". Rechtlich müsse "eine Neuwahl natürlich begründet und gerechtfertigt sein". Bei seinen eigenen Ambitionen hält sich der OB weiterhin bedeckt. Gestern teilte Schmotz mit, er werde seine Entscheidung "rechtzeitig vor Ende der Bewerbungsfrist bekannt geben" - die endet übrigens erst 20 Tage vor dem Wahltermin.

CDU-Stadtverbands- und Fraktionschef Hardy Peter Güssau sieht in Neuwahlen auch den "vernünftigen, klarsten und fairsten Weg". Sie sollten mit der OB-Wahl gekoppelt werden. Der April-Termin sei dafür jetzt "nicht mehr zu halten". Güssau plädiert für "einen neuen Termin, der etwas später ist" und kann sich hier "Mai oder Juni" vorstellen.

Fälscher für verfahrene Situation verantwortlich

An Neuwahlen führt auch aus Sicht von Linke-FraktionschefJoachim Röxe kein Weg vorbei. Er spart nicht mit Kritik: "Die Verantwortung für diese verfahrene Situationen tragen jene politischen Kräfte in der CDU, die entweder selber aktiv gefälscht haben beziehungsweise bewusst oder unbewusst diese Fälschungen unterstützt haben."

Bei der Neuwahl müsse sichergestellt werden, dass Betrug und Manipulationen von Beginn an ausgeschlossen werden, betont Röxe: "Allen Handelnden sollte klar sein, dass sie nun unter besonderer Beobachtung der Wählerinnen und Wähler, der Parteien und der Verwaltung stehen."

"Es wird Zeit, dass dieser ganzen Hängepartie ein Ende gesetzt wird und nicht wie bisher mit allen Mitteln geleugnet, vertuscht und verharmlost wird", kritisiert auch Mitte-Fraktionschef Reiner Instenberg (SPD) die Vorgänge der jüngsten Monate. Er verspricht sich "die Chance für einen kompletten Neuanfang".

Er spricht aber noch einen weiteren Aspekt an: "Wir werden dafür sorgen, dass die Wahlbetrüger und Verursacher der Wiederholungswahl in Regress genommen werden und die Kosten dafür tragen."

Stadtwahlleiter steht weiter in der Kritik

FDP-Kreischef und Stadtrat Marcus Faber findet zudem deutliche Worte gegen Stadtwahlleiter Axel Kleefeldt: "Wenn der Wahlleiter zur Nachwahl ein Verfahren wählt, gegen das er selbst Einspruch einlegen möchte, dann brauchen wir noch dringender als einen dritten Wahlgang in zwölf Monaten einen zweiten Wahlleiter." Der "Schaden für die Stadt" sei angerichtet.

Für Grünen-Stadträtin Sylvia Gohsrich ist "das Fass nun übergelaufen". Grünen-Pressesprecher Mathias Fangohr ergänzt: "Vor der Neuwahl ist auf jeden Fall zwingend geboten das Wahldesaster detailliert aufzuarbeiten, um vergangene Fehler nicht wieder zu begehen. Der Wahlfrust bei den Wählern ist groß." Vertrauen müsse erst wieder hergestellt werden. "Lieber eine gut vorbereitete und saubere Wahl als ein Schnellschuss, der nach hinten losgehen kann."

Stadtrat Olaf Lincke (Piraten) bedauert, dass seinem Vorstoß im Sommer, direkt neu zu wählen, nicht gefolgt worden ist. "Dann hätten wir jetzt bereits Rechtssicherheit und die Stadt hätte viel Geld gespart." Nun heiße es "die Bürger für die Wichtigkeit der Wahl zu begeistern und Vertrauen zu schaffen, das andere zerstört haben". So mancher Stadtrat und politische Organisation müsse "ihr Handeln der letzten Wochen und Monaten überdenken und sich erklären."