1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Wer will schon ins Gefängnis?

Knast-Verkäufe Wer will schon ins Gefängnis?

Von Matthias Fricke 09.12.2014, 02:12

Halberstadt/Magdeburg l Das Angebot klingt vollmundig in der Hochglanzbroschüre eines Berliner Auktionshauses. Zum Angebot steht die ehemalige Justizvollzugsanstalt Halberstadt unter anderem mit "diversen Zellentrakten, Wäscherei, Küche mit Kühlzelle und einem Werkstattgebäude". Erwarten kann der Käufer auf 5640 Quadratmetern eine "gefängnistypische Ausstattung mit Alarm-, Überwachungs- und Sicherheitseinrichtungen".

Der Preis von 25.000 Euro klingt trotz "einiger Feuchtschäden im Keller" wie ein Schnäppchen.

Stadt und Landkreis zeigen kein Interesse

Rotraud Schulze vom Finanzministerium: "Für die Liegenschaft gab es bisher keine Interessenten. Die Stadt Halberstadt und der Landkreis Harz haben weder Interesse am Erwerb der Liegenschaft gezeigt, noch sind ihnen Kaufinteressenten bekannt." Eine Anzeige in der Zeitung im November dieses Jahres hätte zudem keinerlei "Interessensbekundungen" nach sich gezogen.

Stattdessen nutzte die Feuerwehr in Halberstadt das alte Gefängnis Ende Oktober für einen Übungstag. Ein Teil des Gebäudes musste dafür abgesperrt werden, damit sich die Rettungskräfte im Labyrinth nicht verlaufen. Die Feuerwehrleute staunten zudem über eine alte Zelle, die noch komplett eingerichtet war.

Die Auktionsbeschreibung verspricht offensichtlich nicht zu viel: Der Knastalltag ist noch immer an allen Ecken sichtbar. Als Tagesgäste mussten die Feuerwehrleute in dem großen Areal in der Gerichtsstraße alles wieder so hinterlassen, wie sie es vorgefunden hatten. Möglicherweise möchte ja ein Investor den Knast als Hotel wiedereröffnen.

Ein ähnliches Gefängnis, das keiner haben will, steht in Naumburg. Seit zwei Jahren steht das alte Gemäuer leer. Ausschreibungen liefen ohne Gebote aus, Verkaufsversuche scheiterten. Diesem Schicksal blickt nun auch die 2013 geschlossene Magdeburger Justizvollzugsanstalt entgegen. Teile der 2013 geschlossenen Anstalt stehen unter Denkmalschutz. 1903 wurde der Knast gebaut und ab 1905 als Gefängnis genutzt. Auch hier wirkt das besondere Ambiente offenbar nur für Tagesgäste anziehend.

Dort, wo bis vor etwa zwei Jahren noch Jogginganzüge als Häftlingskleidung getragen wurden, rekelten sich erst vor einigen Wochen Models mit der neuen Kollektion eines Magdeburger Modedesigners, die auf der nächsten Fashion-Week in Berlin zu sehen sein soll.

Der Verein Kulturanker kündigte außerdem an, ab Mai nächsten Jahres zumindest kulturell dem alten Gemäuer Leben einzuhauchen. Mit dem Thema "Sinnlichkeit" wollen 250 Künstler zeigen, was hinter Gitterstäben alles möglich ist. Die Verhandlungen für die vorübergehende Nutzung laufen aber noch.

Doch was macht den Verkauf so schwierig? Schulze: "An den Liegenschaften haftet naturgemäß eine historische Bedeutung. Sie stehen zudem teilweise unter Denkmalschutz." Ferner seien die ehemaligen Gefängnisse von ihrer "Baulichen Substanz" besonders zu bewerten und bedürfen daher einer gründlichen Vorbereitung für den Käufer und Verkäufer.

Denkmalschutz macht Verkauf schwierig

Bisher ist der Verkauf nur bei dem 2010 geschlossenen Gefängnis in Stendal geglückt. Dort kaufte der Chef eines Planungsbüros das Gefängnis für 37.000 Euro und will es zu einem Wohnhaus mit Domcafé umbauen. Zweieinhalb Millionen Euro soll das Vorhaben kosten. Im Januar sollen die Bauarbeiten starten.

Einem ähnlichen Schicksal in Freiheit wie in Halberstadt, Magdeburg und Naumburg droht ab nächstes Jahr auch Dessau. Justizministeriumssprecherin Ute Albersmann: "Die Schließung des Standortes ist wegen der rückläufigen Gefangenenzahl zumindest in der Planung. Es muss noch der Landtag zustimmen."