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Briefwahl in Stendal Wahlaffäre erschüttert Sachsen-Anhalts Landtag

Fraktionsübergreifende Distanz nach Manipulation der Stendaler Briefwahl, deutliche Appelle von Linke, SPD und Grünen zu mehr Aufklärung der Vorgänge vor Ort durch die CDU und eine heftige Diskussion über den gegenseitigen Umgang sorgten am Freitagvormittag für eine turbulente Debatte im Landtag.

13.12.2014, 01:09

Magdeburg l Die Empörung und das Entsetzen über die gezielte Fälschung bei der Briefwahl in Stendal ging quer durch die Bänke des Landtags. Zwar habe das Stendaler Rathaus die Manipulation erst möglich gemacht, da dort mehr als die vier erlaubten Vollmachten eingereicht werden konnten. Dass jedoch mindestens ein ehemaliger CDU-Stadtrat gezielt Unterschriften gefälscht haben soll und so ein exorbitant hohes Wahlergebnis erhielt, "erschüttert das Vertrauen der Bürger in die Demokratie", fasste es die CDU-Abgeordnete Gabriele Brackebusch zusammen.

"Wir fordern Aufklärung und Konsequenzen für die dafür verantwortlichen Personen", betonte Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel, warum seine Fraktion die Aktuelle Debatte beantragt hatte. "Dieses Netzwerk muss endlich aufgeklärt werden. Die CDU selbst hat zur Aufklärung bisher wenig beigetragen", kritisierte Striegel.

Schwierige Aufarbeitung des Wahlskandals in Stendal

In einer sehr persönlich gehaltenen Rede warf der Stendaler SPD-Landtagsabgeordnete Tilman Tögel der Stendaler CDU-Spitze vor, nicht zur Selbstkritik fähig zu sein: "Wo ist der Aufstand der Anständigen in der CDU?" Tögel griff den Koalitionspartner offensiv an. Wer CDU wähle, riskiere "Sumpf, Filz und kriminelle Aktivitäten". Der Sozialdemokrat wiederholte auch seinen "satirischen Vorschlag", die Stendaler Christdemokraten sollten sich in "Camorra von der Uchte" umbenennen.

Da hielt es seinen Stendaler CDU-Kollegen Hardy Peter Güssau nicht mehr auf seinem Platz. Diesen Vergleich müsse Tögel zurücknehmen. Er sei von der Wahlmanipulation "tief erschüttert", distanziere sich nachdrücklich und erwarte eine lückenlose Aufklärung.

Linke-Abgeordnete Helga Paschke hingegen vermisst genau diesen Willen bei den örtlichen CDU-Spitzen. So habe CDU-Kreischef Wolfgang Kühnel bei der Abstimmung im Kreistag nicht offengelegt, dass er einer der zwölf Bevollmächtigten ist, die die 189 Wahlunterlagen abgeholt haben. "Das ist schon ernüchternd, was die Frage der schonungslosen Aufarbeitung betrifft."

Anpassung der Briefwahl-Bestimmungen gefordert

Paschke betonte, dass die "Briefwahl löchrig wie Schweizer Käse" sei und "zur Manipulation geradezu einlädt". Sie sollte daher "deutlich sicherer gestaltet werden", begründete sie den Antrag, das Briefwahlverfahren zu überprüfen.

Dies soll jetzt im Innen- und Justizausschuss des Landtags mit dem Innenministerium beraten werden. Staatskanzlei-Chef Rainer Robra (CDU) kann sich eine "maßvolle Anpassung" der Briefwahl-Bestimmungen vorstellen. Sachsen-Anhalt habe aber bereits ein sehr sicheres System, betonte er. Bei "entsprechender krimineller Energie" sei "jedes noch so gute System machtlos".

Er habe aber "kein Verständnis dafür", so Robra weiter, dass die Vierer-Regelung im Stendaler Rathaus und auch im Wahlbüro des Kreises nicht ausreichend bekannt gewesen sei. Es gehöre dort zu den Aufgaben, neue Verordnungen nachzuvollziehen. "So kompliziert ist das nicht."

"Wahlfälschung ist kein Kavaliersdelikt"

Dass dies eine emotionale Debatte geworden war, fasste Linke-Fraktionschef Wulf Gallert am Ende durchaus als "positives Zeichen" auf: "Wahlfälschung ist nichts, was man einfach sachlich zur Seite schieben sollte." Seine SPD-Kollegin Katrin Budde unterstrich, dass nach dem Fall Stendal das "Vertrauen in die demokratischen Wahlen wieder hergestellt" werden müsse.

Landtagspräsident Detlef Gürth mahnte indes, dass auch diese Debatte Grenzen haben müsse: "Wahlfälschung ist kein Kavaliersdelikt. Es darf aber keine demokratische Kraft als kriminelle Bande tituliert werden - das kann nicht unwidersprochen bleiben."

Eines zeigte die rund 100-minütige Debatte allerdings ebenfalls auf: Auch in Magdeburg liegen - zumindest am Freitagvormittag - Rot-Rot-Grün nah beieinander.