1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. 193 Sextäter in Sachsen-Anhalt im Visier

Risikomanagement 193 Sextäter in Sachsen-Anhalt im Visier

Von Matthias Fricke 14.02.2015, 02:24
ARCHIV - Ein Bewährungshelfer demonstriert am 29.08.2011 vor dem Justizministerium in Wiesbaden das neue Model der elektronischen Fußfessel. Elektronische Fußfesseln für entlassene Gewalttäter erfüllen nach einem Bericht der «Schweriner Volkszeitung» nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Foto: Fredrik von Erichsen/dpa (zu dpa «Kritik an Fußfessel: Vier von sechs Trägern in MV rückfällig») +++(c) dpa - Bildfunk+++
ARCHIV - Ein Bewährungshelfer demonstriert am 29.08.2011 vor dem Justizministerium in Wiesbaden das neue Model der elektronischen Fußfessel. Elektronische Fußfesseln für entlassene Gewalttäter erfüllen nach einem Bericht der «Schweriner Volkszeitung» nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Foto: Fredrik von Erichsen/dpa (zu dpa «Kritik an Fußfessel: Vier von sechs Trägern in MV rückfällig») +++(c) dpa - Bildfunk+++ dpa

Magdeburg l Eine dauerhafte Überwachung von aus der Haft entlassenen Sexualstraftätern durch die Polizei gibt es zurzeit in Sachsen-Anhalt nicht. Das sagt der Leiter der Koordinierungsstelle "Risikomanagement für besonders rückfallgefährdete Sexualstraftäter im Land Sachsen-Anhalt" (RiMS), Klaus-Peter Knobloch aus dem Landeskriminalamt.

Rund 200, zum Teil gefährliche Männer, stehen aber dennoch unter besonderer Führungsaufsicht der Justiz und müssen eine Reihe unterschiedlicher Auflagen erfüllen. "Sie haben sich unter anderem regelmäßig im Polizeirevier zu melden oder Abstand von früheren Opfern zu halten", erklärt Knobloch. Auch sonst sei eine ganze Reihe von Einschränkungen zur Sicherheit möglich.

Das Kontrollprogramm RiMS besteht seit März 2013. Wie in anderen Bundesländern wurde es geschaffen, weil Sicherungsverwahrte nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes kurzfristig entlassen werden mussten. "Aktuell zeigt sich die Notwendigkeit insbesondere bei den Verhältnismäßigkeitsentlassungen aus dem Maßregelvollzug, die seit dem Fall Mollath und der damit verbundenen Rechtsprechung zugenommen haben", so Anja Schrott vom Justizministerium.

Fallkonferenz legt alle Auflagen fest

Ziel des Programmes sei es, "dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung zu entsprechen und dennoch der Resozialisierungsnotwendigkeit und dem Grundrecht auf Freiheit Rechnung zu tragen". Bei den Männern handelt es sich um sogenannte "Vollverbüßer", die ihre oft sehr lange Strafe komplett abgesessen haben oder ehemals Insassen des Maßregelvollzuges sind. In beiden Fällen muss eine Rückfallgefahr gesehen werden.

Während der Fallkonferenzen, die oft bereits drei Monate vor der eigentlichen Entlassung einsetzen, werden die Probanden "durchleuchtet". Daran beteiligt sind Staatsanwälte, Vertreter der Justizvollzugsanstalt, Polizisten, Sozialarbeiter der Justiz und des Sozialen Dienstes und in speziellen Fällen auch Kriminalpsychologen. Am Ende wird dabei festgelegt, in welche Kategorie der Entlassene eingeordnet wird und welche Auflagen er erhält.

Neun Männer zählen gegenwärtig zur höchsten Kategorie (siehe Infokasten). "Wir sprechen in solchen Fällen zum Beispiel auch mit den damaligen Opfern und überprüfen die Wohnadressen, sobald datenschutzrechtlich dem natürlich nichts entgegensteht", so Knobloch. Auch die Polizeireviere sind eingebunden.

Fußfesseln verhindern keine Straftaten

"Dass einer von ihnen an einen unbekannten Ort verzieht, wollen wir zum Beispiel ausschließen", so Knobloch. Sozialarbeiter und die Führungsaufsicht nehmen deshalb in diesen Fällen eine Schlüsselrolle ein. Sie kennen ihre Probanden am besten. Nur in einem Fall ist zurzeit auch eine von zehn elektronischen Fußfesseln im Einsatz, bestätigt das Justizministerium auf Nachfrage. Ein aus Bayern stammender Mann hat nach seinem Umzug nach Sachsen-Anhalt aktuell die Auflage, ein bestimmtes Gebiet nicht zu verlassen.

Sollte er dies trotzdem tun, läuft die Information über ein GPS-Signal in einer Zentrale in Hessen ein. In diesem Fall wird die Führungsaufsicht über den Verstoß verständigt.

"Wer aber glaubt, dadurch Straftaten verhindern zu können, der ist im Irrglauben", erklärt Jürgen Schmökel, Direktor des Landeskriminalamtes. Elektronische Fußfesseln dienen nicht in erster Linie der Gefahrenabwehr, sondern sind ein Instrument der Führungsaufsicht. Sie sollen sicherstellen, dass der Proband sich auch an die Auflagen gehalten hat und in der Gebotszone aufhält.

Fünf Rückfalltäter

Sollte übrigens gegen eine Auflage verstoßen worden sein, wird immer die Führungsaufsichtsstelle verständigt. Sie hat ihren Sitz am Landgericht Magdeburg. Seit Bestehen des Kontrollprogrammes gab es fünf Rückfalltäter, nur in einigen Fällen wegen einschlägiger Delikte. LKA-Chef Jürgen Schmökel: "Wir haben eine Einrichtung geschaffen, die sich etabliert hat und die Aufgabe, Bürger im rechtlichen Rahmen vor Gefahren durch rückfallgefährdete Sexualstraftäter zu schützen, erfüllt. Allerdings ist das auch kein Allheilmittel, um Straftaten zu verhindern."

Bis zu fünf Jahren können die Probanden unter eine Führungsaufsicht gestellt werden. Die Entscheidung dazu trifft das Gericht.