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Debatte um Holger Stahlknecht "Politisch gewünschte" Ballfang-Anlage

Im Heimatort von Minister Stahlknecht kommt ein Fußballverein an sonst sehr rare Fördergelder. Beamte hatten den Antrag der Sportler als "politisch gewünscht" eingestuft.

Von Jens Schmidt 05.03.2015, 02:19

Magdeburg l Die umstrittene Förderung des Fußballvereins SC Traktor Wellen beschäftigt den Innen- und Sportausschuss des Landtags. Wellen gehört zu den zehn kleineren Vereinen, die Fördergelder bekamen - 50 andere erhielten keine. Wellen ist der Wohnort des für Sport zuständigen Innenministers. Der Ausschuss hat jetzt Akteneinsicht verlangt. Minister Holger Stahlknecht (CDU) wird nächsten Donnerstag dem Ausschuss Rede und Antwort stehen.

Stahlknecht hat sich den ganzen Vorgang chronologisch aufarbeiten lassen. Sein Fazit: "Juristisch und fachlich ist dass einwandfrei gelaufen", sagte er am Mittwoch der Volksstimme, räumt aber ein, dass es Fehler gegeben habe. Stahlknechts Beamte hatten Aktenvermerke formuliert, die der entscheidende Beamte am Ende der Befehlskette im Landesverwaltungsamt als politische Weisung verstehen musste. "Ich mache den Mitarbeitern keine Vorwürfe - aber das geht so nicht. An der Stelle gibt es Versäumnisse, das gebe ich zu", sagte er. Er will das intern klären. Bei Aktenvermerken dürfe künftig kein falscher Eindruck entstehen. Stahlknecht: "Ich habe keine Anweisungen dazu gegeben. Wellen ist nicht bevorzugt behandelt worden." Stahlknecht sagte, die Vermerke seiner Beamten habe er vorige Woche das erste Mal gesehen.

Innen-Ausschuss im Landtag untersucht Fall
Der Ausschuss will die Rolle des Ministers genauer beleuchten. "Haben die Beamten in vorauseilendem Gehorsam gehandelt oder ist das in Gesprächen entwickelt worden?" fragt sich Ausschussvorsitzender Ronald Brachmann (SPD). Sebastian Striegel (Grüne): "Wir erkennen an, dass der Minister für Transparenz sorgt, aber der ganze Vorgang wirft schon Fragen auf, wieso Beamte so handeln."

Sportvereine, die um Fördergeld bitten, werden in drei Gruppen eingeteilt. Fachbeamte entscheiden unter Beratung durch den Landessportbund, wer wo eingestuft wird. Im Topf liegen in diesem Jahr 2,5 Millionen Euro. Wer in die dritte Gruppe rutscht, hat kaum noch Aussichten auf Geld. Es sei denn, ein Projekt der ersten beiden Gruppen platzt; dann rieseln frei gewordene Gelder nach unten in den dritten Korb.

In Wellen war der Sportplatz ein Acker, die Fußballer mussten im benachbarten Ochtmersleben kicken. Die Sportstätte soll auf Vordermann gebracht werden: Rasen, Kabinen, WC, Ballfang-Anlage. Im November 2013 fühlt der Verein erstmals beim Minister vor. Der Vereins-chef bekommt einen Termin. "Das mache ich mit allen Vereinen so", sagt Stahlknecht. Er habe sich das angehört - alles weitere dann aber der Prüfung seiner Fachbeamten überlassen. Im Februar 2014 kommt die Prioritätenliste zum Minister - Wellen liegt in der Gruppe drei. Also: Es gibt voraussichtlich nichts. "Ich habe das abgezeichnet und unverändert weitergereicht", sagt Stahlknecht. Die Liste geht durch die Hierarchie des Innenministeriums und dann ans Landesverwaltungsamt - der zuständige Beamte dort entscheidet über die Feinheiten. Auch darüber, wer von den 60 nahezu Aussichtslosen doch noch was bekommt, falls Geld übrig bleibt. Doch auf der Liste stehen nicht nur Vereinsnamen, sondern auch noch Anmerkungen - wie der Innenminister jetzt einräumt. Und die haben es in sich. So hat sein zuständiger Abteilungsleiter im April 2014 vermerkt: "Maßnahme Wellen ... Förderung prüfen". Das nachgeordnete Sport-Referat setzt noch eins drauf und schickt eine Mail an den zuständigen Beamten im Landesverwaltungsamt "mit der Bitte um bevorzugte Prüfung von Wellen ..." Der Sachbearbeiter im Landesverwaltungsamt liest das als Order von oben und vermerkt "politisch gewünscht". Es gehen noch einige Telefonate hin und her, die keinen Zweifel daran lassen.

Ein Verwaltungswissenschaftler sagt der Volksstimme, dass die Vermerke "mindestens ungeschickt" waren.

Regelförderung in diesem Fall überschritten
Im Laufe des vorigen Jahres werden tatsächlich Gelder frei, da sich einige Großprojekte zerschlagen. Gut 170000 Euro stehen für die 60 Vereine aus Gruppe drei zur Verfügung. Zehn Bittsteller haben Glück - darunter auch Wellen. Im November wird die Finanzspritze bewilligt. Da die Kicker dort gar nicht mehr mit dem Geldsegen gerechnet hatten, hatten sie den Sportplatz schon mit eigenen Mitteln auf Vordermann gebracht. Für weitere Anlagen wie Kabinen und Ballfang-Anlage mit einem Investvolumen von knapp 16000 Euro werden aber 10000 Euro Fördergeld bewilligt. Und damit sogar mehr als die bei anderen Vereinen üblichen 50 Prozent Zuschuss. Das Landesverwaltungsamt vermerkt, dass der Regelfördersatz in Wellen überschritten ist. Stahlknecht sagt, das sei laut Richtlinie im Ausnahmefall aber möglich. Stahlknecht hat seinen Abteilungsleiter gefragt, wieso er den Vermerk pro Wellen überhaupt gemacht habe. Antwort: Da die Kicker gar nichts hatten und in den Nachbarort mussten, habe er hier eine Dringlichkeit gesehen. Stahlknecht: "Ich finde das fachlich plausibel." Glücklich ist er damit aber nicht.

Politisch gerät er nun unter Druck. Der Abteilungsleiter ist jetzt ins Umweltministerium gewechselt. Auf eigenen Wunsch, wie Stahlknecht versichert. Nicht zur Strafe.