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Junge Eltern Schritt für Schritt zurück in den Job

Mit Hilfe eines Landesprogramms haben seit 2012 Hunderte junge Langzeitarbeitslose den Weg zurück in die Arbeitswelt geschafft. Im Juni endet die Pilotphase. Das Land hat nun beschlossen, das Projekt fortzusetzen.

16.03.2015, 01:25

Magdeburg/Tangerhütte l Gewissenhaft spannt Kathrin Sichmund die knallgrüne Schürze in die Industriestickmaschine ein. Zwei routinierte Handgriffe, schnell den Computer programmieren - und schon rattert die Maschine los in den nächsten Durchgang. Es wirkt, als hätte sie in ihrem Leben nie etwas anderes gemacht.

Tatsächlich arbeitet die 27-Jährige erst seit gut einem Jahr bei der Tangerhütter Firma Ixprom. Seit Januar hat sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag - vor zwei Jahren schien das noch unvorstellbar. Denn nach zwei Schwangerschaften war die gelernte Verkäuferin in die Arbeitslosigkeit abgerutscht. Eineinhalb Jahre war sie ohne Job. "Im Jobcenter haben sie mir auch gar keine Hoffnungen gemacht. Die haben nur gesagt: `Als Alleinerziehende mit zwei Kindern - da können wir Ihnen kaum helfen`", sagt die 27-Jährige. Sie galt als "nicht vermittelbar".

Immerhin: Die Mitarbeiter des Jobcenters gaben ihr den Hinweis auf das Programm "Familien stärken". So ist Kathrin Sichmund bei Nicole Pide gelandet, einer von zwei Familienintegrationscoaches im Landkreis Stendal. Sie unterstützen junge langzeitarbeitslose Eltern bei der Rückkehr in die Arbeitswelt und sollen Unternehmen motivieren, diesen eine Chance zur Erprobung zu geben. Elf Monate lang wird diese gefördert. Die Firmen müssen in dem Zeitraum nur einen geringen Anteil kofinanzieren. Eine Übernahmepflicht gibt es nicht.

Egal ob mangelnde Qualifikationen oder familiäre Probleme - die Familienintegrations-Trainer sind "Mädchen für alles". "Bei Frau Sichmund war die Richtung das Problem: Eine Stelle im Verkauf war für sie als Alleinerziehende einfach nicht realisierbar", sagt Nicole Pide. Also hat sie den Kontakt zu Ixprom vermittelt. Das Unternehmen von René Buchholz stellt Werbemittel her.

Der Geschäftsführer war anfangs skeptisch. "Wie viele andere Betriebe haben wir leider schon einige hoffnungslose Fälle gehabt. Azubis haben ihre Ausbildung abgebrochen, waren unpünktlich oder nicht leistungsbereit", sagt Buchholz. Bei Kathrin Sichmund sei das jedoch anders gewesen. "Sie war zwar branchenfremd, aber bei ihr hat man sofort gemerkt: Sie will was erreichen und kann anpacken", sagt er. Also hat der Geschäftsführer dem Beschäftigungs-Experiment nach einem Praktikum zugestimmt.

Bereut hat Buchholz den Schritt nicht. In einer Art "Schnellausbildung" hat Kathrin Sichmund alle Stationen im Unternehmen durchlaufen. "Es gibt nichts, was man nicht lernen könnte", meint die 27-Jährige heute selbstbewusst. Sie arbeitet nun nicht nur mit den Stickmaschinen, sondern auch an der Textilpresse, wo beispielsweise T-Shirts bedruckt werden. "So schnell wie sie dort ist, ist da niemand von uns", sagen die Kollegen.

Deshalb hat René Buchholz die junge Mutter nach Ende der Maßnahme übernommen. Das Programm habe ihm eine wertvolle Arbeitskraft zugeführt, sagt der Geschäftsführer. Er gesteht: "Ich hätte Frau Sichmund sicher nicht einmal eingeladen, wenn sie sich selbst bei uns beworben hätte." Branchenfremd, langzeitarbeitslos, zwei Kinder - das sei auf dem Papier nicht gerade erfolgsversprechend gewesen.

Nun empfiehlt Ixprom das Programm weiter. Nur der bürokratische Aufwand während der Förderung sei lästig gewesen, sagt Buchholz. Anträge, Anwesenheitslisten, Abrechnungen - die Familieninte-grations-Trainer helfen den Betrieben auch in diesen Dingen. Doch nicht alle Unternehmen würden sich überzeugen lassen, sagt Nicole Pide. Trotzdem hat sie in den vergangenen zweieinhalb Jahren 89 Personen im Landkreis Stendal zur Beschäftigung verholfen - ein Drittel wurde im Anschluss daran in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen.

Für Arbeitsminister Norbert Bischoff ist das Programm ein Erfolg: "Weil es mit diesem Programm gelungen ist, Langzeitarbeitslosen, die teilweise als `hoffnungslose Fälle` abgeschrieben wurden, neue Chancen zu eröffnen." Im Juni endet die Pilotphase, dank EU-Fördermitteln kann das Programm bis zum Jahr 2020 fortgesetzt werden. Bischoff sagt: "Ich will, dass es in jeder Familie mindestens ein Elternteil gibt, das in Lohn und Brot steht. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist gut. Wir können das schaffen, wenn die Unternehmen auch mitziehen."