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Liberalisierung des Bestattungsgesetzes Verbände pochen auf Friedhofszwang

Soll die letzte Ruhe im eigenen Garten möglich sein oder nicht? Während drei Viertel der Volksstimme-Leser dafür sind, lehnen die meisten Verbände die Aufhebung des Friedhofszwangs ab.

19.03.2015, 01:19

Magdeburg l Das Votum war eindeutig: Mehr als 2000 Anrufer haben sich vergangene Woche am Volksstimme-Ted zum Friedhofszwang beteiligt - rund 78 Prozent haben für die Aufhebung gestimmt.

"Es braucht einen Raum für öffentliche Trauer." - Rüdiger Fikentscher

Immer mehr Menschen wollen nicht mehr auf dem Friedhof bestattet werden. Die Politik hat diesen Wunsch vernommen. Grüne und Linke wollen erlauben, dass die Urne mit der Asche des Verstorbenen zu Hause aufbewahrt oder die Asche auf dem eigenen Grundstück verstreut werden darf. Stundenlang haben sich Verbände, Innungen und Kirchen am gestrigen Mittwoch im Sozialausschuss des Landtages zur möglichen Aufhebung des Friedhofszwangs positioniert.

Auch dieses Votum war klar: Die meisten Akteure des Bestattungswesens lehnen eine Liberalisierung des Gesetzes ab. "Ein Körper eines Verstorbenen ist kein Gegenstand, über den Angehörige beliebig verfügen dürfen", sagte Rüdiger Fikentscher vom Verein für Friedhofskultur Halle. Körperliche Überreste sollten sich auch weiterhin nur auf Friedhöfen befinden. "Es braucht einen öffentlichen Raum für Trauer und Erinnerung", erklärte Fikentscher.

Das sehen die Kirchen ähnlich. Nur wenn Friedhöfe in den Händen der Kommunen oder der Kirchen blieben, könne der Anspruch auf jederzeitige Ausübung der Wertschätzung des Verstorbenen und seiner postmortalen Menschenwürde garantiert werden, erklärte Stephan Rether, Leiter des Katholischen Büros Sachsen-Anhalt. Er warnte: "Urnen in privatem Besitz können verloren gehen."

Dieser private Besitz ist seit Januar in Bremen erlaubt. Dian Schefold, emeritierter Professor für Rechtswissenschaft der Uni Bremen, begrüßt das. "Jeder verfügt über das Grundrecht, zu bestimmen, was mit seinem Körper nach dem Tod geschehen soll", sagte er. "Es gibt verfassungsrechtlich keinen Anspruch auf öffentliche Trauer. Wenn das jemand nicht möchte, muss man das akzeptieren." Ein Friedhofszwang sei falsch, so Schefold.

Dem widersprechen Bestatter und Steinmetze. Wenn eine Urne erst einmal zu Hause stehe, könnte diese schnell zum Streitobjekt werden, so der einhellige Tenor. Wenn es Differenzen gebe und dann einer die Urne für sich beanspruche, hätten andere Familienmitglieder keinen Ort zum Trauern mehr, warnte die Bestatterinnung Sachsen-Anhalt. Das müsse verhindert werden.

"Viele Leute wollen nicht mehr auf den Friedhof." - Walter Schmiedl, Bestatter

Doch nicht alle Bestatter sehen das so. Walter Schmiedl aus Havelberg sagte: "Die Gesellschaft hat sich verändert. Viele Leute wollen nicht mehr auf den Friedhof." Ein Friedhofszwang sei nicht mehr zeitgemäß, viele würden bereits rechtliche Grauzonen (zum Beispiel Internetangebote in Tschechien oder der Schweiz) für Bestattungen nach ihren Wünschen nutzen. "Das kann doch so nicht weitergehen. Eine Reform ist überfällig", erklärte der Bestatter.

Nach der Sommerpause soll im Landtag über das neue Gesetz abgestimmt werden. Die CDU-SPD-Koalition lehnt die Aufhebung des Friedhofszwangs auch nach der gestrigen Anhörung weiter ab.

Millionen Menschen sterben weltweit jedes Jahr an Diabetes oder Herzinfarkten. Ein großer Teil dieser Fälle wäre nach Experteneinschätzung vermeidbar. Foto: Matthias Hiekel/Symbol
Millionen Menschen sterben weltweit jedes Jahr an Diabetes oder Herzinfarkten. Ein großer Teil dieser Fälle wäre nach Experteneinschätzung vermeidbar. Foto: Matthias Hiekel/Symbol
dpa-Zentralbild