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Justiz erlässt schärfere Regeln Eine Flucht mit Folgen

Silvio T. war Sachsen-Anhalts meistgesuchter Schwerverbrecher. Bis 2024
muss er noch eine Strafe wegen zwei Vergewaltigungen, Körperverletzung
mit Todesfolge und anderer Gewalttaten absitzen. Seit Mittwoch steht er
nach seiner Flucht vor drei Jahren mit seinen Helfern erneut vor
Gericht.

Von Matthias Fricke 16.04.2015, 03:17

Magdeburg/Aschersleben l Mit Fußfesseln wird der 39-jährige Silvio T. am Mittwoch in das Magdeburger Landgericht gebracht. Nicht wegen der Flucht an sich vor knapp drei Jahren soll er sich verantworten - sie ist grundsätzlich straffrei - sondern wegen der Freiheitsberaubung seiner Bewacher. Er sperrte sie kurzzeitig in einer Aschersleber Wohnung ein. Auch seine Ex-Frau und ein Bekannter stehen wegen Gefangenenbefreiung vor Gericht. Sie sollen dem Schwerverbrecher geholfen haben. Nach dem ersten Urteil des Amtsgerichtes Aschersleben im vergangenen Jahr haben alle Beteiligten Berufung eingelegt.

In der Verhandlung gestern ist das Verfahren gegen den 46 Jahre alten Bekannten von Silvio T. eingestellt worden. Gegen ihn läuft aktuell ein anderer Prozess, bei dem eine längere Haftstrafe erwartet wird. Gegen Silvio T. und seine Ex-Frau wird am 22. April weiterverhandelt.

Die Flucht an jenem 14. August 2012 soll sich so abgespielt haben: In der Zwei-Raum-Wohnung im vierten Stock eines Plattenbaus in Aschersleben halten sich zunächst seine Ex-Frau, ihr neuer Lebensgefährte und der damals sechsjährige Sohn auf. Überraschend taucht eine Freundin der Ex-Frau mit einer weiteren Bekannten auf. Sie bringen vier Kinder mit. Es wird unübersichtlich. Während die Erwachsenen auf dem Balkon rauchen, gehen die Kinder unten spielen. Die Mutter lässt den Schlüssel in der Tür von außen stecken. Die Beamten sitzen im Wohnzimmer (siehe Grafik) und essen Kuchen. Silvio T. geht in Richtung Kinderzimmer, seine Bewacher folgen. Die Wohnungstür steht einen Spalt offen, als er ins Treppenhaus huscht und von außen abschließt. Er flieht in dem von dem Bekannten vorbereiteten Fluchtwagen. Zehn Tage lang sucht die Polizei mit zeitweise 70 Beamten nach dem Schwerverbrecher. Ein Einsatzkommando nimmt ihn in Berlin fest.

Nach den Pannen hat die Justiz die Sicherheit bei Ausführungen verschärft. Ute Albersmann, Sprecherin im Justizministerium: "Ziel bleibt es, die Kontakte zu den Familien zu stärken und die Gefangenen auf die Freiheit vorzubereiten." Die Zahl der Gefangenenausführungen stieg in der JVA Burg von 751 im Jahr 2012 auf 1326 im vergangenen Jahr.