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Spitzenkandidat Wulf Gallert Rückendeckung von Ramelow

Die Linke hat bei einem Landesparteitag am Sonnabend in Dessau-Roßlau
mit Wulf Gallert ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2016
nominiert. Der 51-Jährige bekräftigte seinen Führungsanspruch.

Von Michael Bock 20.04.2015, 03:34

Dessau-Roßlau l Bodo Ramelow, seit kurzem Regierungschef in Thüringen, macht bei seinem Gastaufritt den sachsen-anhaltischen Genossen Mut. Er ist bemüht, auch denen die Ängste zu nehmen, die sich mit einer Linken in Regierungsverantwortung nicht so recht anfreunden wollen. "Wir müssen aufhören, Regieren als Betriebsunfall unserer Partei zu betrachten", ruft Ramelow den Delegierten zu. Und fügt launisch hinzu: "Auch nach 130 Tagen mit einem linken Ministerpräsidenten gibt es in Thüringen noch Bananen."

Das sind Sätze, die den Delegierten im Technikmuseum "Hugo Junkers" Flügel verleihen. Auch Wulf Gallert, der einstimmig nominierte Spitzenkandidat, will hoch hinaus. 2016 möchte er Ministerpräsident werden. "Es gibt 1000 Gründe, Wulf Gallert zu wählen", sagt Ramelow. "Nur einen möchte ich nennen: Lasst mich im Bundesrat nicht allein."

"Auch nach 130 Tagen mit einem linken Ministerpräsidenten gibt es in Thüringen noch Bananen." - Ministerpräsident Bodo Ramelow

Mit Spannung wird Gallerts Rede erwartet. Der gebürtige Havelberger sagt: "Ich habe nur sieben Seiten vorbereitet." Kunstpause. "Aber das sind Stichworte." Daraus entsteht eine exakt 93-minütige Rede: scharfzüngig, kämpferisch, pointiert. Der Diplom-Pädagoge greift vor allem die Wirtschaftspolitik der Landesregierung an. Auffällig ist: Auch SPD-Spitzenkandidatin Katrin Budde hatte im März bei ihrer Nominierung zur Spitzenkandidatin Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) attackiert: "Eine so empathiefreie Wirtschaftspolitik wie im Moment habe ich in diesem Land noch nie erlebt." In der Wirtschaftspolitik wehe "nicht mal ein laues Lüftchen".

"Der Mythos der Wirtschaftskompetenz der CDU hält sich immer noch hartnäckig", sagt jetzt Gallert. "Mit der Realität in Sachsen-Anhalt hat dieser Mythos aber nichts zu tun." Zu Möllrings Arbeit bemerkt Gallert bissig: "Möglicherweise hat er Fähigkeiten. Er hat sie bisher erfolgreich verborgen."

Sachsen-Anhalt trage beim Wirtschaftswachstum "die rote Laterne", sagt der Linken-Spitzenmann. So sei die Wirtschaft hierzulande in den vergangenen zehn Jahren nur um zusammen rund zwei Prozent gewachsen, in den anderen ostdeutschen Ländern dagegen um etwa acht Prozent und bundesweit um elf Prozent.

Sachsen-Anhalt sei nach wie vor ein "Billiglohnland", es fehle eine wirkliche Entwicklungsstrategie. Gallert kritisiert die Vergabe von Fördergeldern, mit der sich inzwischen im Landtag zwei Untersuchungsausschüsse befassen. So seien etwa über die landeseigene IBG Mittel, die eigentlich für innovative Start-up-Unternehmen gedacht gewesen seien, millionenfach in die Schlossgruppe Neugattersleben geflossen. Diese sei zwar weder innovativ noch Start-up, doch "sie gehört zwei Leuten, die beide sehr gute Beziehungen zur Landesregierung haben". Der eine sei in der CDU, der andere in der SPD.

"Das ist Machtmissbrauch von Parteien, die zu lange an der Macht sind." - Parteichefin Birke Bull

Parteichefin Birke Bull sagt mit Blick auf Fördergeld-Affären: "Das ist nicht nur eine unverschämte Steuergeldverschwendung. Es ist schlichtweg Machtmissbrauch von Parteien, die zu lange an der Macht sind. Das erzeugt Resignation, Zorn und Zynismus."

Wirtschaftspolitiker Frank Thiel, der bei einer rot-roten Regierung als Wirtschaftsminister gehandelt wird, greift die CDU an: "Ihr habt Euch zu lange auf den Sesseln der Selbstzufriedenheit breitgemacht."

Gallert wirft der Landesregierung einen "patriarchalischen Politikstil" und ein "obrigkeitsstaatliches Politikverständnis" vor. Mit Widersprüchen könne die Landesregierung nicht umgehen, Debatten würden nicht geführt, die Dinge durchgestellt. Gallert sagt etwa mit Blick auf den Bauhaus-Direktor: "Wer Fragen stellt, ist ein Meckerer. Und wer meckert, der fliegt."

CDU-Fraktionschef André Schröder reagiert mit einer Pressemitteilung. Gallert sei ein kluger Mann, der "die tiefen inneren Konflikte in seiner Partei überdeckt". Letztlich stehe seine Politik jedoch auch im dritten Anlauf für unsolide Finanzen, neue Belastungen für die Wirtschaft und ein Wolkenkuckucksheim bei Bildung und Personal. Schröder: "Damit ist er ein Kandidat für den Abstieg unseres Landes." Sein Machtinstinkt zwinge Gallert "inzwischen zu immer stärkeren Umarmungen der SPD, die sich so als politisches Stalking-Opfer fühlen könnte".

"Kotzen kannst du hinter der Ziellinie." - Bundestagsabgeordnete Petra Sitte

Die Bundestagsabgeordnete Petra Sitte fordert vollen Einsatz im Wahlkampf. Die Hallenserin war mal Leistungs-Schwimmerin und zitiert ihren damaligen Trainer: "Kotzen kannst du hinter der Ziellinie." Auch Gallert lässt nach seiner Nominierung durchblicken, wie ernst er es meint: "Bis zum letzten Blutstropfen werden wir kämpfen."