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Fehlendes Geld gefährdet IT-Projekte Brandbrief aus der Justiz

Zwischen dem Justizministerium und dem Finanzministerium hat sich ein
handfester Streit entzündet. Auslöser ist ein Brandbrief des für die IT
in der Justiz zuständigen Experten.

Von Michael Bock 22.04.2015, 03:23

Magdeburg l Kurz vor Ostern schlug der "Leiter der ADV-Stelle Justiz" Alarm. In einem Schreiben an das Justizministerium und die Gerichtspräsidenten sah sich Martin Schubert-Wulfmeyer gehalten, "nochmals die aktuelle IT-Haushaltslage" darzustellen.

Die Schilderung vom 2. April fiel drastisch aus: Schubert-Wulfmeyer, angesiedelt beim Oberlandesgericht Naumburg, konstatierte eine "akute Gefährdung" des IT-Betriebs. Er befürchte "unmittelbar drohende Schadensfälle mit finanziellen Verlusten und/oder Auswirkungen, die das Ansehen der Justiz auch in der öffentlichen Wahrnehmung erheblich beeinträchtigen würden".

Unmittelbar gefährdet seien nicht nur der sogenannte allgemeine Geschäftsbetrieb, sondern auch "überragend wichtige" IT-Projekte wie das EDV-Grundbuch, das EDV-Handelsregister oder das gemeinsame Mahngericht der Länder Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.

Im Justizrechenzentrum Barby sei eine geordnete Datensicherung nicht mehr gewährleistet, da dort die sogenannten Backup-Kapazitäten nahezu erschöpft seien. Außerdem: Überfällige Rechnungen über 283613,11 Euro könnten nicht beglichen werden.

Grund für diese Misere: fehlendes Geld. Laut Schubert-Wulfmeyer hat die "ADV-Stelle Justiz" rund 2,7 Millionen Euro für den allgemeinen IT-Betrieb des Haushaltjahres 2015 angemeldet. Doch zugeflossen seien bis Anfang April nur 10 Prozent dieses Geldes.

Die Sprecherin von Justizministerin Angela Kolb (SPD), Ute Albersmann, sagte am Dienstag zum vor drei Wochen verschickten Brandbrief: "Da war die Lage sehr prekär. Es stand Spitz auf Knopf."

Sie führte die finanzielle Notlage darauf zurück, dass das Finanzministerium bestimmte IT-Gelder nur quartalsweise freigebe. Ein solches Vorgehen habe es bislang nicht gegeben. Albersmann: "Das ist höchst befremdlich und behindert unsere Arbeit." Ohnehin sei die Justiz-IT seit Jahren unterfinanziert, sagte die Sprecherin. "Es gibt ein strukturelles Defizit."

Michael Richter, CDU-Staatssekretär im SPD-geführten Finanzministerium, kann die ganze Aufregung nicht verstehen. Seinen Angaben zufolge hat das Justizministerium für 2015 IT-Gelder in Höhe von 4,4 Millionen Euro angemeldet. Die letztlich auf 3,7 Millionen Euro gekürzte Summe sei komplett ausgezahlt worden.

Zusätzlich würden allein in diesem Jahr 2,3 Millionen Euro zur Vorbereitung des sogenannten elektronischen Rechtsverkehrs bereitgestellt. Hintergrund ist, dass bis zum Jahr 2020 das Aus für die Papier-Akte kommt.

Richter räumte ein, dass die Auszahlung dieser 2,3 Millionen Euro in vier Teile gestückelt werde. Er begründete dies damit, dass das Konzept des Justizministeriums "noch nicht ausgereift" sei. Manch einer im Justizressort wertet das Vorgehen des Finanzministeriums als Frechheit.

Der Brandbrief von Schubert-Wulfmeyer hat intern hohe Wellen geschlagen. Inzwischen hat das Finanzministerium die zweite Tranche der 2,3 Millionen Euro freigegeben. Justizsprecherin Albersmann sagte: "Die Situation hat sich entspannt, die Lage bleibt aber schwierig."

Martin Schubert-Wulfmeyer war gestern nicht zu erreichen. Er ist in Urlaub. Ein Sprecher des Oberlandesgerichts Naumburg wusste zumindest zu berichten: "Die offenen Rechnungen sind beglichen."