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Reformationsfeiern in Wittenberg Großbaustelle Luther-Gedenken

Ein Schloss, das 500 Jahre nach der Errichtung einen Anbau bekommt? In Wittenberg geht so etwas - und auch ein Durchbruch durch drei Meter dickes historisches Gemäuer.

Von Hagen Eichler 02.05.2015, 03:31

Wittenberg l Das Grab von Martin Luther hat keine Ruhe. Der steinerne Sarkophag ist mit grauem Vlies abgedeckt, Staub hängt in der Luft. Durch die Schlosskirche von Wittenberg kreischt ein Schwingschleifer. Ein Maler entfernt mit ihm an der Innenwand die Überreste der 80er-Jahre-Sanierung. Die historische Bemalung mit wuchtigen Blumen, die damals Jahre überpinselt worden war, soll zurückkehren - an mehreren Ecken der Kirche sind bereits Probeflächen in Rot, Lila und Grün zu sehen.

Draußen vor dem Bauzaun stehen drei enttäuschte Koreaner. In die Kirche hineingehen, das Luthergrab besuchen dürfen sie nicht. Also fotografieren sie einander vor dem Portal, an das Luther 1517 seine Thesen geschlagen haben soll.

Seit drei Jahren bereits ist die weltberühmte Kirche eine Baustelle. Bis zum Reformationsjubiläum 2017 will die Landesregierung den Ursprungsort der Reformation herrichten und so bereit sein für den Ansturm der Lutheraner aus aller Welt. Zigtausende sollen kommen; auch aus Korea, vor allem aber aus Skandinavien und Nordamerika.

"Wir wollen keine neue Kirche erschaffen, sondern Substanz erhalten."

Wer fürchtet, das neogotische Bauwerk werde dann in Bonbonfarben erstrahlen wie die wiedererrichtete Dresdner Frauenkirche, liegt verkehrt. "Wir wollen hier keine neue Kirche erschaffen, sondern in Würde erhaltene Substanz erhalten", verspricht Gudrun Fischer vom Bau- und Liegenschaftsmanagement des Landes.

Wer den Blick zur zehn Meter hohen Decke hebt, erkennt, was sie meint. Weiß und blau ziehen sich die Gewölberippen entlang, doch auf allem liegt die Patina von 130 Jahren. Warum dann überhaupt die Sanierung? "Die Farben hatten sich von der Wand gelöst, sie waren wie loser Puder", sagt Fischer. Und dann die großen Probleme: das Mauerwerk feucht und mit einer Salzschicht bedeckt. Säulen, die sich nach innen gebogen hatten und jetzt mit der Außenwand verschraubt sind.

Und erst während der Bauarbeiten zeigte sich: Die meterhohen Buchstaben, die hoch oben rund um den Schlossturm laufen und die Liedzeile "Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen" zeigen - sie waren eine Gefahr für die Öffentlichkeit. "Die Befestigung war total zerfressen, der Stein ist unter den Fingern zerbröselt", schildert die Projektleiterin.

Höchst umstritten bei den Wittenbergern ist ein Eingriff in die historische Bausubstanz: In der Südwestecke der Kirche haben die Bauarbeiter eine drei Meter dicke Bruchsteinmauer durchbrochen und ein neues Portal eingebaut, das direkt ins Schloss führt. In diesem sollen die Touristen künftig empfangen werden, bevor sie die Kirche betreten.

Die direkte Verbindung verkürzt aber auch die Wege für die angehenden Pfarrer, die das Wittenberger Predigerseminar durchlaufen. Seit 1817 proben die Vikare in der Schlosskirche das Predigen, das Singen, die Liturgie. Ihre Seminarräume und Büros werden künftig direkt nebenan im Schloss untergebracht. Und für neue Schlafräume wächst der 1490 errichteten einstigen Fürstenresidenz sogar noch ein moderner Flügel. Die gewaltige Baugrube hat Fundamente von Vorgängerbauten freigegeben.

Mit den Sanierungen ist ein komplizierter Ringtausch verbunden: das Land, die Kirche und die Stadt verschieben Grundstücke und Nutzungsrechte, am Ende sollen alle profitieren. Eine 13-seitige Rahmenvereinbarung von 2009 hat den Weg freigemacht.

"So einen Auftrag wie diesen hat man nur einmal im Leben."

Dem Land war wichtig, den Zugriff auf das Augusteum zu bekommen, ein historisches Universitätsgebäude, das zwar vom Finanzministerium unterhalten wird, aber unentgeltlich vom Predigerseminar genutzt wurde. Das Bauwerk am anderen Ende der Innenstadt ist bereits eingerüstet, künftig darf sich hier die Stiftung Luthergedenkstätten ausbreiten.

In der Schlosskirche pinselt unterdessen der Metallrestaurator Maik Tews den Dreck der jahrelangen Bauarbeiten von den bronzenen Gedenkplattan an der Wand. Auch wenn sich um ihn herum noch Kabeltrommeln stapeln, in einem eigens ausgestellten Baustellenzelt ein Tischler die Dielen für die Empore aufarbeitet: Der Großteil der Sanierung ist geschafft. Ab Juni gibt es wieder Baustellenführungen, draußen verschwinden die Gerüste. "Wir liegen wirklich gut in der Zeit", versichert Projektleiterin Fischer.

Ihr nächstes Sanierungsobjekt wird wieder ein schlichter Behördenbau in Halle. "So einen Auftrag wie diesen hier", bekennt sie, "den hat man eben nur einmal im Leben.".