1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. SED-Diktatur rückt in den Fokus

Landesbeauftragte für Stasi-Unterlagen SED-Diktatur rückt in den Fokus

Die Landesbeauftragte für Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt, Birgit Neumann-Becker, soll neue Aufgaben bekommen. Der Landtag befasst sich nächste Woche mit einer entsprechenden Gesetzesinitiative von CDU und SPD. Künftig soll die SED-Diktatur in den Fokus rücken.

Von Michael Bock 30.05.2015, 03:19

Magdeburg l Neumann-Becker, seit 2013 im Amt, soll nach dem Willen von CDU und SPD künftig den Titel "Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" tragen. Diese Bezeichnung lässt das erweiterte Aufgabenfeld der bisherigen Beauftragten für Stasi-Unterlagen erkennen. CDU und SPD wollen das Amt neu ausrichten. Ziel des von den Fraktionsvorsitzenden Katrin Budde (SPD) und André Schröder (CDU) unterschriebenen Gesetzentwurfs ist es, "das Gesamtsystem staatlicher Repressions- und Verfolgungspolitik zu erfassen". Die Öffentlichkeit solle unterrichtet werden über "Wirkungsmechanismen und Folgen der bis heute anhaltenden Folgen von SED-Diktatur und sowjetischer Militäradministration".

André Schröder sagt, bislang sei es im weitesten Sinne um Opferberatung gegangen. Allerdings: "Die Beschränkung der Aufarbeitung auf die Behörden der Staatssicherheit wird den vielen Einzelschicksalen mit anderen Unrechtserfahrungen in der DDR und aus der Zeit nach dem 8. Mai 1945 nicht gerecht. Diese Unrechtserfahrungen, die weit über die Staatssicherheit hinausgehen, gilt es gleichermaßen aufzuarbeiten."

Laut Gesetzentwurf ist bei der Aufarbeitung "in besonderer Weise die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes im Zusammenwirken mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und anderen Organisationen zu berücksichtigen".

Formulierungen von politischer Brisanz

Es müssten die Unterschiede zu einem Rechtsstaat herausgearbeitet werden - zum Beispiel in den Bereichen des Parteiensystems, der Justiz und der Polizei. So könne der Vorstellung begegnet werden, dass "die DDR und die Zeit der sowjetischen Militäradministration ohne das MfS ein ganz normaler Rechtsstaat gewesen wäre".

Diese Formulierungen sind durchaus von politischer Brisanz. Denn die Linke ist in der Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, gespalten. SPD-Frau Budde wiederum, die nach der Landtagswahl im März 2016 auch mit einer rot-roten Regierung liebäugelt, trägt den Gesetzentwurf und dessen Begründungen mit.

Die auf fünf Jahre gewählte Landesbeauftragte soll künftig der Dienst- und Rechtsaufsicht des Landtagspräsidenten unterstehen. Bislang ist sie beim Justizministerium angesiedelt. Linken-Chef Wulf Gallert legt sich noch nicht fest, ob seine Fraktion den Gesetzentwurf mitträgt. Er äußert jedoch Bedenken. Die Aufarbeitung bei "einer staatlichen Behörde ist suboptimal, sie ist eigentlich systemfremd", sagt Gallert. Er plädiert dafür, Universitäten und freie Träger mit der Aufarbeitung zu betrauen.

Neumann-Becker, die als Studentin von der Stasi bespitzelt worden war, sagt: "Ich halte es für sachgerecht, das Aufgabenfeld zu erweitern." Es sei richtig, SED-Diktatur und sowjetische Militäradminis-tration in den Fokus zu rücken, fügt die Theologin hinzu. Es gebe noch "blinde Flecken in der Geschichte". Bereits kurz nach ihrem Amtsantritt hatte sie gesagt, es gehe ihr um das Aufdecken von Mechanismen einer Diktatur.

Ihre Behörde hatte voriges Jahr etwa 2500 Menschen beraten, dazu kamen 2000 telefonische Anfragen. Bei 15 Prozent der Beratenen hätten Menschenrechtsverletzungen vorgelegen. Etwa 650 Menschen würden unter weitergehenden Diktaturfolgen leiden.

Der Landtag beschließt den Gesetzentwurf voraussichtlich im Herbst.