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Hübner-Gruppe Rechnungshof hält Zinserlass für unzulässig

Der Landesrechnungshof von Sachsen-Anhalt hält den 270000-Euro-Zinserlass für Unternehmen aus dem Firmenreich des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Klaas Hübner für unzulässig. Das erfuhr die Volksstimme aus sicheren Quellen. Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) hält das Vorgehen für "rechtlich machbar".

Von Michael Bock 05.06.2015, 03:22

Magdeburg l Der Prüfbericht des Rechnungshofes wird derzeit als eine Art geheime Kommandosache behandelt. "Die Nervosität ist besonders groß", sagte Rechnungshofpräsident Kay Barthel am Montag bei einer Pressekonferenz zur IBG-Affäre. Zum Inhalt des Berichts will er sich derzeit nicht äußern. Am 12. Juni treffen sich Barthel und Bullerjahn zu einem Gespräch zur Prüfungsmitteilung.

Die Einschätzung der Prüfer ist brisant. Nach Volksstimme-Informationen urteilen sie, dass der Erlass von 270000 Euro an Nachzahlungszinsen unzulässig war. Für eine solche Entscheidung fehle die passende gesetzliche Regelung. Die unabhängigen Kontrolleure bemängeln zudem eine völlig unzureichende Aktenlage.

Hintergrund: Der Finanzpräsident der inzwischen aufgelösten Oberfinanzdirektion hatte im Juni 2013 die Finanzämter in Magdeburg, Staßfurt und Bitterfeld-Wolfen angewiesen, Nachzahlungszinsen auf fällige Steuern von Unternehmen aus dem Firmengeflecht zu erlassen. Klaas Hübner und Familienmitglieder sind als Gesellschafter an Unternehmen der "Schlossgruppe Neugattersleben" beteiligt.

Wie die Volksstimme erfuhr, kritisieren die Prüfer jetzt, dass es seinerzeit keine inhaltliche Begründung für den Zinserlass gab. In Finanzkreisen gibt es Zweifel, dass die OFD die Anweisung im Alleingang herausgegeben haben soll. Der Finanzpräsident wurde nach Auflösung der OFD Vize-Abteilungsleiter im Finanzministerium. Er ist jetzt im Bullerjahn-Ressort für einen Abteilungsleiter-Posten im Gespräch.

Eine direkte Einflussnahme Bullerjahns ist auch nach Prüfung durch den Rechnungshof nicht aktenkundig. Belegt ist, dass der Unternehmer Klaas Hübner und dessen Vater bereits im Frühjahr 2011 wegen einer sich über drei Jahre hinziehenden Betriebsprüfung auf Bullerjahn zugekommen waren. Hübner und Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) sind gut befreundet. Vor der Landtagswahl 2006 hatte der damalige Spitzenkandidat Bullerjahn Hübner in sein Kompetenzteam geholt und ihn als möglichen Wirtschaftsminister vorgestellt.

Nach Darstellung des Ministers ging es bei dem Gespräch mit den Hübners um mehr als 700 strittige Bescheide. Er, Bullerjahn, habe seine Fachleute gebeten, die Angelegenheit zu prüfen. Daraufhin hätten sich Oberfinanzdirektion, Finanzämter und Unternehmensgruppe auf eine Lösung verständigt. In Gespräche involviert waren auf Bitte Bullerjahns auch der frühere Finanzstaatssekretär Heiko Geue und dessen Nachfolger Jörg Felgner (beide SPD).

"Das ist ein gängiges, rechtlich sauberes Verfahren", sagte Bullerjahn. "Man hat die Wahl zwischen jahrelangen Prozessen oder einer Verständigung." Es sei eine "pragmatische Lösung" gefunden worden, bekräftigte Bullerjahn gestern im Volksstimme-Gespräch. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen."

Nach dem Verzicht auf Nachzahlungszinsen haben einem Insider zufolge Unternehmen der Schlossgruppe rund zwei Millionen Euro Steuern ans Land gezahlt. Bullerjahn räumte ein: "Das war ein Sonderfall. Dafür gibt es keine Blaupause." Zugleich betonte der Minister: "Es hat keinen Hübner-Bonus gegeben. Er wurde behandelt wie jeder andere auch."

Fast die Hälfte der gesamten 2013 erlassenen Nachzahlungszinsen von insgesamt 568756 Euro entfiel auf Unternehmen der Firmengruppe "Schloss Neugattersleben".