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IBG-Affäre Möllring: "Der Pathologe ist der schlauste Arzt"

In der IBG-Affäre haben sich Regierung und Opposition am Freitag auf
Antrag der Grünen einen heftigen Schlagabtausch im Landtag geliefert.

Von Michael Bock 06.06.2015, 03:24

Magdeburg l Der Grünen-Abgeordnete Olaf Meister kommt in seiner Rede gleich zur Sache. Bei der landeseigenen IBG finde ein "weitgehender Blindflug" statt, sagt er. Prüfungen seien, wenn überhaupt, nur unzureichend erfolgt. Und das "Elend" sei konsequenterweise nicht dokumentiert worden. Am Ende wisse man nicht, was mit den Fördermillionen aus Steuergeld erreicht worden sei.

Die Vorlage für die Landtagsdebatte hatte ein Prüfbericht des Landesrechnungshofs geliefert. Am Montag rügten die obersten Kassenprüfer schwere Verstöße bei der IBG. Es seien die eigenen Regeln missachtet und Förderbedingungen nicht erfüllt worden. Dies sei durch fehlende Kontrollen, Intransparenz, mangelhafte Organisationsstrukturen und nicht vorhandene Sanktionsmöglichkeiten begünstigt worden. Die Prüfer konstatierten ein "kollektives Versagen" der IBG-Kontrollgremien.

Zuschieben der Verantwortung

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte dagegen am Mittwoch das Wirken der IBG vehement verteidigt. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur IBG-Affäre sprach er von einer "Erfolgsgeschichte".

Haseloff war von 2006 bis 2011 Wirtschaftsminister und IBG-Aufsichtsratschef. Meister sagt in der Debatte: "Herr Ministerpräsident, die Verantwortung liegt bei Ihnen." Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert sagt: "Der Fisch stinkt vom Kopf."

CDU-Politiker Thomas Leimbach kontert: "Die Ursachen für die jetzige Situation müssen nicht in den letzten Jahren, sondern schon viel früher gesucht werden." Die IBG war 1996 gegründet worden. Vor der Zeit Haseloffs waren die SPD-Politiker Klaus Schucht, Matthias Gabriel, Katrin Budde und Horst Rehberger (FDP) Wirtschaftsminister und somit auch IBG-Aufsichtsratschefs.

Möllring räumt Verstöße bei Fördervergabe ein

Leimbachs Rede ist im Gegensatz zu Haseloffs Einlassungen vor dem Ausschuss in großen Teilen auffallend kritischer. "Es ist mehr zu erkennen als nur ein Betriebsunfall", sagt er und spricht von "systematischen Mängeln". Konkret: zu viel Geld, zu leicht verfügbar, zu wenig Professionalität in der Administration, ein raffinierter Geschäftsführer mit Herrschaftswissen, abhängige Mitarbeiter, zersplitterte Kompetenzen der Organe.

Leimbach nimmt vor allem den Ex-IBG-Geschäftsführer in Visier: "Dieser Dr. Dinnies von der Osten schaffte es, in all den Jahren perfide und heimlich sein eigenes Vermögen und das seiner engsten Freunde und Geschäftsfreunde zu mehren." Dann noch: "Vielfache, aber nur selektive Prüfungen durch Wirtschaftsprüfer, die EU und den Landesrechnungshof vermittelten einen scheinbaren und trügerischen Eindruck von Ordnungsmäßigkeit."

Hartmut Möllring (CDU), der Wirtschaftsminister, räumt zwar einzelne Verstöße bei der Vergabe von Fördergeld ein, wertet die Arbeit der Beteiligungsgesellschaft IBG insgesamt aber als Erfolg. Aus Fehlern seien Konsequenzen gezogen worden.

Zweifel am Erfolgsmodell

Möllrings Bilanz hört sich so an: Die IBG habe sich seit 1996 an 162 Firmen zu maximal 25 Prozent beteiligt und insgesamt 287 Millionen Euro ausgezahlt. Durch Rückflüsse in den IGB-Fonds könnten 161 Millionen Euro erneut für Risikokapital-Beteiligungen eingesetzt werden. Laut Möllring ist die IBG aktuell an 47 Unternehmen beteiligt. Über die IBG-Beteiligungen seien Ko-Investoren gewonnen worden, die zusätzlich rund 360 Millionen Euro an Kapital in diese Firmen eingebracht hätten. Möllring: "Damit hat jeder Euro der IBG mehr als weitere drei Euro zusätzliches Kapital für Sachsen-Anhalt generiert."

Zu Fehlern aus der Vergangenheit sagt er: "Der Pathologe ist der schlauste Arzt. Man kann hinterher immer sagen, dass alles anders hätte sein müssen." Überhaupt: Der Rechnungshof habe nur acht Firmen in seinem Bericht erwähnt. "95 Prozent der Unternehmen stehen da gar nicht drin."

Linken-Wirtschaftspolitiker Frank Thiel sagt, dass sich der Rechnungshof seit 2003 mehrfach mit der IBG befasst habe: "Immer wieder wurden fortlaufender Kapitalverzehr, Mängel in der Nachweisführung und mangelnde Kontrollfunktionen kritisiert." Nach seinen Recherchen sind von den Firmen, an denen sich die IBG bislang beteiligte, 52 in Insolvenz gegangen oder haben sich aufgelöst. Das wäre also fast ein Drittel. "Warum dann fortlaufend immer noch von einem Erfolgsmodell gesprochen wird, entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen", sagt Thiel. Zudem hätten sich fast 30 Beteiligungen außerhalb Sachsen-Anhalts wiedergefunden.

Der SPD-Abgeordnete Rüdiger Erben gibt dem Rechnungshof im Kern Recht: "Kollektives Versagen scheint mir keine überzogene Wertung zu sein." Ursache der Misere sei allerdings das Fehlverhalten des Ex-Geschäftsführers von der Osten. Die IBG müsse durch eine echte Reform aus den Negativschlagzeilen kommen. Erben: "Die IBG darf nicht kaputtgeredet werden. Schönfärberei führt aber auch nicht weiter."