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Politikstil in der Kritik Möllring: "Starke Sprüche nutzen nichts"

08.06.2015, 01:47

Wegen des schwachen Wirtschaftswachstums von 0,4 Prozent ist Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU) in die Kritik geraten. Im Interview mit Volksstimme-Reporter Matthias Stoffregen verteidigt er seinen Politikstil.

Herr Möllring, ein Zitat vorweg: "Die Wirtschaftspolitik wird momentan nur verwaltet", kritisiert SPD-Fraktionschefin Katrin Budde, sie empfiehlt Ihnen, vom Schlafwagen auf die Lokomotive zu wechseln, mehr Leidenschaft für Sachsen-Anhalt zu zeigen. Was sagen Sie dazu?
Hartmut Möllring: Leidenschaft für Sachsen-Anhalt zeigen wir. (Der Minister steht auf und holt das Buch "Facettenreich" aus dem Regal. Darin sind 50 innovative Unternehmen aus Sachsen-Anhalt porträtiert.) Das Buch hier, das wir kürzlich herausgebracht haben, ist Leidenschaft. Hier finden sich gute Beispiele von Firmen, die weltweit konkurrenzfähig sind. Wir haben uns aber nicht nur Arbeit mit diesem Buch gemacht - wir versuchen regelmäßig aufzuzeigen, wo Firmen aus Sachsen-Anhalt führend sind.

Positive Signale setzen, ist das eine. Wir reagieren auch schnell. Nehmen Sie das Thema Investitionen und Ansiedlungen. Möchte ein Unternehmer im Land Sachsen-Anhalt investieren, ermöglichen wir kurze Wege und schnelles Umsetzen des Projektes. Dafür sind wir auch bekannt: Erst kürzlich ist unsere Investitions- und Marketinggesellschaft für den guten Investorenservice ausgezeichnet worden.

Nun ist Katrin Budde nicht die Oppositionsführerin, sondern die Fraktionschefin einer der Regierungsparteien. Haben Sie denn schon mal mit der SPD-Chefin über ihre kritischen Bemerkungen gesprochen?
Ich rede häufig mit Katrin Budde, aber ich arbeite jetzt nicht jedes Zeitungszitat ab.

CDU-Fraktionschef André Schröder war über die Kritik Buddes an Ihnen nicht begeistert. Auf der anderen Seite sagt er aber auch, über die "Peppigkeit" Ihrer Amtsführung lasse sich streiten.
Ich glaube nicht, dass man Aktivität dadurch darstellen sollte, in dem man herumspringt wie Rumpelstilzchen. Ein Beispiel: Als wir die wirtschaftlichen Probleme bei den Mitteldeutschen Fahrradwerken sahen, haben wir keine starken Sprüche gemacht, sondern haben einen Interessenten für das Unternehmen gesucht. Das damalige Mifa-Management wollte erst mit Indern verhandeln. Wir haben IFA Rotorion ins Spiel gebracht und dieser Investor ist am Ende auch zum Zug gekommen. Dadurch ist es uns gelungen, 600 Arbeitsplätze in Sangerhausen zu retten. Starke Sprüche nutzen da nichts, sondern nur verlässliche Politik, die manchmal auch im Verborgenen stattfinden muss.

Welche Rückmeldung zu Ihrer Politik erhalten Sie denn von Ministerpräsident Reiner Haseloff?
Ich spreche mit Reiner Haseloff häufiger über die wirtschaftliche Situation im Land. Zuletzt haben wir uns beim Besuch der Total-Raffinerie in Leuna unterhalten. Dabei war auch Total-Chef Reinhard Kroll. Der hat immer nicht verstanden, warum ihm Haseloff hohe Umsätze wünscht, denn eigentlich kommt es ja auf Gewinne an. Nachdem er aber die Diskussion ums Bruttoinlandsprodukt in den Zeitungen verfolgt hatte, meinte er zu uns, jetzt habe er es verstanden. Denn die Umsätze der Raffinerie machen ein Siebtel der Wirtschaftsleistung von Sachsen-Anhalt aus. Und wenn die Umsätze wegen längerer Wartungsarbeiten weniger wachsen, fällt auch das Wirtschaftswachstum des Landes geringer aus. Die Bedeutung der chemischen Industrie lässt sich also nicht wegdiskutieren, im Übrigen sorgt die Branche auch dafür, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen der Arbeitnehmer hierzulande statistisch höher ausfällt als in anderen ostdeutschen Bundesländern.

Wer Schlafwagen-Politik beklagt, geht davon aus, dass ein Landeswirtschaftsminister viel bewegen kann. Wie groß sind denn Ihre Handlungsspielräume?
Ich kann möglichst intelligent und effektiv Förderprogramme einsetzen, ich kann die Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen, Forschungsinstitutionen und der Wirtschaft fördern. Das geschieht etwa über die Mittelstandsoffensive, die wir Ende vergangenen Jahres ins Leben gerufen haben. Ansonsten kann ich mich darum bemühen, die Landesgesetzgebung möglichst unternehmerfreundlich zu machen. Das fängt beim Vergabegesetz an und hört bei Genehmigungen auf.

Und wenn Sie die letzten Äußerungen unserer vier Kammern in Sachsen-Anhalt sehen, dann sind die mit der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes rundum zufrieden. Einige Export-Firmen in Sachsen-Anhalt leiden zwar unter dem russischen Wirtschafts-embargo, aber darauf habe ich als Landesminister wiederum keinen Einfluss.

Linken-Fraktionschef Wulf Gallert hat zuletzt kritisiert, dass Sachsen-Anhalt immer noch den Ruf eines Billiglohn-Landes hat, vor dem Investoren und Hochqualifizierte zurückschrecken würden. Auch die Debatte um Einsparungen bei Hochschulen sei schädlich gewesen. Ist da etwas dran?
Eins ist eindeutig: Man braucht eine vernünftige Bildungslandschaft, damit Unternehmen bleiben oder sich ansiedeln. Und mit unseren sieben Hochschulen können wir genau das bieten. Selbst aus den Hochschulen wird mir inzwischen zugestanden, dass die Struktur-Debatte auch sinnvoll war, um verkrustete Strukturen innerhalb der Organisationen mal aufzubrechen. Und Sachsen-Anhalt wird längst nicht mehr nur als Billiglohn-Land wahrgenommen. Zu meiner Zeit haben wir jedenfalls nicht mit niedrigen Löhnen geworben. Ich halte es auch für falsch, damit zu werben.

Die Linken haben zehn Jahre nach der Wende hier eine Regierung toleriert - da hätten sie die Möglichkeit gehabt, gegen das Werben mit Niedriglöhnen etwas zu tun.

Und dass Sachsen-Anhalt für Investoren attraktiv ist, zeigt sich auch daran, dass die Zahl der Ansiedlungen von 26 auf 33 gestiegen ist. 2013 wurden durch die Ansiedlungen 1400 neue Jobs geschaffen, 2014 mehr als 1600.

Im kommenden Jahr wird der Landtag neu gewählt, die Opposition will offenbar die Wirtschaftspolitik zum Wahlkampf-Thema machen. Fühlen Sie sich gewappnet?
Natürlich. Die Arbeitsplatzentwicklung ist in Sachsen-Anhalt sehr positiv. Die Leute werden das wirtschaftliche Umfeld betrachten und wenn die Stimmung in den Kammern auch so bleibt, wie sie ist, dann wird die Wirtschaft insgesamt durchaus positiv wahrgenommen werden. Die nächste Statistik zum Wirtschaftswachstum, mit der wir glänzen werden, weil die Total-Raffinerie wieder höhere Umsätze machen wird, kommt leider aber erst nach der Landtagswahl.