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Fischbecker Deichbruch 2013 Hochwasser: Von wegen unbürokratische Hilfe

Im Juni 2013 zog das Elbhochwasser eine Spur der Vernichtung durch das Land. Zwei Jahre später sind in dem besonders betroffenen Elbe-Havel-Land und dem Elbe-Saale-Winkel noch längst nicht alle Schäden beseitigt - auch wegen überbordender Bürokratie und überlasteter Verwaltungen.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 09.06.2015, 03:14

Fischbeck/Schönhausen l "Wir trauern unserem alten Haus schon sehr nach. Mitte der 1980er Jahre haben wir es gekauft und mühsam saniert und dann nach der Wende noch einmal alles neu gemacht, unsere beiden Töchter sind hier groß geworden." In dieser Woche, genau zwei Jahre nach dem Deichbruch im benachbarten Fischbeck, ziehen Benita und Holger Borowski in ihr neues Haus im Schönhauser Wiesengrund.

Hier hatte das Wasser im Juni 2013 über zwei Meter hoch gestanden. An dieser tiefsten Stelle des Ortes wollte es lange nicht abfließen. Es richtete enorme Schäden an, drei Häuser mussten abgerissen werden. Borowskis haben sich lange dagegen gesträubt und bis zuletzt gehofft, dass die statischen Probleme doch noch zu beheben sind und man auch den Schimmel irgendwie aus den Wänden bekommt. Doch im letzten Herbst rückten dann doch die Abrissbagger an.

Nach Hochwasser kam der Schimmel

"Alles Jammern nützt nichts! Jetzt fangen wir eben noch einmal von vorn an. Inzwischen freuen wir uns nach drei Umzügen in zwei Jahren auch auf unser neues, altes Zuhause und blicken optimistisch in die Zukunft." Vom Leben vor 2013 ist nicht mehr viel übrig. Denn selbst die im Obergeschoss trocken abgestellt geglaubten Dinge hat der Schimmel zerfressen. "In der hektischen Nacht der Katastrophe haben wir die Fotoalben im Fernsehschrank natürlich vergessen..."

Die Flut hatte 15 Wohnhäuser im Elbe-Havel-Land abrissreif gemacht. Die meisten Neubauten sind inzwischen wieder bezogen. "Alle Wunden heilen, aber die Narben bleiben!" Die Bilder beispielsweise von den toten Tieren, die er zusammen mit anderen auf der "Insel Schönhausen" aus dem Wasser ziehen musste, haben sich im Kopf von Holger Borowski eingebrannt. Auch das Bild von zwei seiner Hühner, die auf der obersten Stange im Hühnerstall irgendwie zwei Wochen lang überlebt haben und nicht mal mehr gackern konnten, als er sie in Wathose im bauchhohen Wasser aus dem Stall rettete.

Erinnerungen an Flut bleiben präsent

Auch Fischbecks Bürgermeister Bodo Ladwig denkt dieser Tage öfter als sonst zurück - wie er noch hoffte, den Deich retten zu können, wie er kurz nach Mitternacht den Anruf mit der Schreckensnachricht bekam und wie er dann mit seinen Kollegen der Agrargenossenschaft um die Rettung der vom Wasser eingeschlossenen Milchkühe kämpfte.

"Das, was wir erlebt haben, steckt man nicht so einfach weg - auch nicht nach zwei Jahren." Dennoch ist er zuversichtlich. "Im Großen und Ganzen können wir zufrieden sein mit dem Fortschritt beim Wiederaufbau. An manchen Stellen klemmt es noch, aber die ersten neuen Straßen sind fertig, kommunale Häuser werden saniert und auch der Bau unseres neuen Feuerwehr-Gerätehauses geht gut voran, Ende des Jahres können wir es einweihen."

Dennoch werde es länger als anfangs geglaubt dauern, bis in Fischbeck und den anderen Orten des Elbe-Havel-Landes alle Schäden behoben sind. Immerhin 85 Millionen Euro müssen investiert werden.

Baumamtsmitarbeiter kommen nicht hinterher

Von dieser enormen Schadenssumme hat das Landesverwaltungsamt und auch die für Sportstätten zuständige Investitionsbank bislang Maßnahmen im Wert von 51,5 Millionen Euro bewilligt - rund 60 Prozent also. Abgearbeitet sind allerdings erst 10,5 Millionen Euro - magere zwölf Prozent. Denn die Mitarbeiter im Bauamt kommen so schnell nicht hinterher.

"Bis 2016 schaffen wir das vor allem im Außenbereich mit den unzähligen Wirtschaftswegen und Brücken niemals!" macht Verbandsbürgermeister Bernd Witt deutlich. Er fordert von der Landesregierung, die auf drei Jahre nach Schadensereignis festgelegte Frist für die Abarbeitung zu verlängern. "Unsere Beschäftigten arbeiten am Limit, damit es vorangeht. Denn die eigentliche Arbeit im Amt muss ja auch erledigt werden. Auch wenn wir schon ein paar neue Mitarbeiter eingestellt haben, reicht das nicht! Das Land muss uns auch hier zur Seite stehen", fordert er. Auf großen Teilen der Personalkosten bleibt die Verbandsgemeinde ganz allein sitzen und die Mitgliedsgemeinden sind finanziell so und so schon am Ende.

Auch Bodo Ladwig macht Druck: "Land und Bund haben ja viele Versprechen, die sie im Sommer 2013 gemacht haben, auch eingehalten. Die 100-prozentige Förderung beim kommunalen Wiederaufbau ist einmalig. Und auch die Zahlung von 80 Prozent für nicht versicherte private Flutbetroffene hat in den meisten Fällen reibungslos geklappt - da muss man der Investitionsbank auch mal einen Dank aussprechen. Aber von unbürokratisch, wie es ja selbst die Bundeskanzlerin bei ihrem Besuch versichert hat, kann nicht die Rede sein. Das ist eben Deutschland! Aber es soll ja auch alles seine Richtigkeit haben."

Soforthilfe musste zurückgezahlt werden

Nicht richtig findet er, dass die 400 Euro Soforthilfe, die im Juni 2013 gezahlt worden ist, von den wenigen nicht Betroffenen zurückgezahlt werden musste. "Betroffen waren sie doch auch! Die Dörfer wurden evakuiert, alle mussten ihre Häuser und Wohnungen für etliche Tage verlassen und hatten dadurch zusätzliche Kosten." Als Bodo Ladwig dieses Problem beim Land angesprochen hat, sagte man ihm die Klärung zu, "aber bis heute hat sich nichts getan. Es ist einfach ungerecht und nicht nachvollziehbar!"

Richtig froh stimmt den Bürgermeister, dass das Versprechen, so schnell wie möglich einen sicheren Deich zu bauen, eingehalten wird. Seit September wird bei Fischbeck ein neuer Wall errichtet. 6,7 Kilometer lang - hoch und breit genug, um den künftigen Hochwassern standzuhalten. Weitere Deichbauabschnitte im Elbe-Havel-Land, an denen es im Sommer 2013 kritisch war, sind inzwischen bereits erneuert oder ebenfalls in Arbeit. Das gibt auch den Landwirten Sicherheit. Die hatten ihre komplette Ernte verloren, als das Deichbruchwasser 220 Quadratkilometer Land flutete. Auch ihre Kühe mussten sie in Sicherheit bringen.

Jahrestag kein Grund zu feiern

"Es hat ein Jahr gedauert, bis die Milchleistung wieder auf dem Niveau von vor der Flut war. Glücklicherweise hatten wir 2014 bedingt durch perfektes Wetter eine sehr gute Ernte. Für die Lockerung des Bodens gab es nach langem Ringen Geld vom Land, so dass wir im Herbst die entsprechenden Arbeiten ausführen konnten", berichtet der Schönhauser Landwirt Bernd Bleis.

Am zweiten Jahrestag der Katastrophe gibt es keine Veranstaltung in Fischbeck. "Wir haben erst wieder Grund zum Feiern, wenn alles fertig ist." Und Bodo Ladwig bekräftigt sein Versprechen: "Wir bauen Fischbeck schöner auf, als es je war!"