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Bedenken beim Amtsarzt Preisträgern droht Abschiebung

Vor einem Jahr erhielten drei Kinder der Roma-Familie Barjamovic von Arbeits- und Sozialminister Norbert Bischoff (SPD)den Integrationspreis des Landes Sachsen-Anhalt. Quasi in letzter Sekunde wurde jetzt die Abschiebung der Familie nach Serbien ausgesetzt.

13.06.2015, 03:22

Magdeburg l Die Nachricht der Ausländerbehörde Magdeburg kam Freitagnachmittag überraschend. Das Amt teilte gestern auf Volksstimme-Anfrage mit, dass die Abschiebung der siebenköpfien Roma-Familie Barjamovic nach Serbien ausgesetzt, die Familie ein weiteres Jahr in der Landeshauptstadt geduldet werde. Ausschlaggebend waren Bedenken des Amtsarztes. Er sagte, dass der Vater aus gesundheitlichen Gründen nicht reisefähig sei. "Die Reiseunfähigkeit stellt ein tatsächliches Abschiebungshindernis dar", bestätigte Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra.

Die Familie lebt seit 2011 in Magdeburg. Vor einem Jahr wurde in Halle das Projekt "Breakchance", in der Nesa (11), Emanuel (9) und Josif (7) Barjamovic tanzen, der Integrationspreis des Landes Sachsen-Anhalt durch Arbeits- und Sozialminister Norbert Bischoff verliehen. "Sachsen-Anhalt braucht eine lebendige Willkommenskultur. Menschen, die zu uns kommen, um hier zu lernen, zu arbeiten und zu leben, oder weil sie Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen, brauchen unsere Unterstützung. Wir wollen, dass sie sich in unserem Land gut aufgenommen fühlen", sagte Bischoff damals zur Preisverleihung.

Auch deshalb schlug der Fall in den vergangenen Tagen immer höhere Wellen. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) kennt den Vorgang. "Roma droht in Serbien die systematische Diskriminierung", sagt etwa der grüne Landtagsabgeordnete Sören Herbst. Kritik kommt auch von der Inte- grationsbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt. "Ich verstehe die Prioritätensetzung der Ausländerbehörden nicht", sagt Susi Möbbeck. Sie beobachte, dass derzeit verstärkt Altfälle bearbeitet würden. "Dabei sollten doch eigentlich die Bearbeitungszeiten bei den Neuzugängen beschleunigt werden", so Möbbeck weiter.

Trotz der harten Kritik der Abschiebegegner spricht die Statistik für das Land Sachsen-Anhalt eine andere Sprache. Obwohl die Flüchtlingsankünfte seit zwei Jahren auch in Sachsen-Anhalt rapide steigen, ist die Zahl der Abschiebungen zuletzt gesunken. Bis Ende Mai wurden nach Angaben des Innenministeriums rund 250 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben. Im Vorjahreszeitraum seien es 40 mehr gewesen (Volksstimme berichtete).

Zwei Drittel der Betroffenen stammten laut Ministerium aus den Westbalkanstaaten wie Bosnien und Herzegowina, Serbien, Albanien oder dem Kosovo. Asylanträge aus diesen Ländern haben nur in den seltensten Fällen Erfolg, weil sie seit kurzem als sichere Herkunftsländer gelten. Experten kritisieren das jedoch, weil der Schutz von Roma nicht gewährleistet sei. Nur 2,2 Prozent der albanischen Bewerber und 1,1 Prozent der Kosovaren hätten 2014 in Deutschland einen Schutzstatus erhalten. In Sachsen-Anhalt hatte sich die Zahl der Asylbewerber im vergangenen Jahr auf 6600 verdoppelt. Dieses Jahr werden 11400 erwartet.

Die Kritik an der Ausländerbehörde kann man in der Stadtverwaltung Magdeburg nicht nachvollziehen. "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat den Asylantrag bereits am 4. Januar 2012 abgelehnt. Die Ausländerbehörde ist an die Entscheidung des BAMF gebunden", sagt Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra. Nach Informationen der Volksstimme sollte die Abschiebung der Familie am 16. Juni mit ärztlicher Begleitung nach Serbien erfolgen. Der Flug wurde abgesagt, die Kosten trägt der Bund.

Donnerstag wurde auf der Internetseite Change.org eine Petition gestartet, die ein Bleiberecht für die Familie fordert. Bei Redaktionsschluss hatten die Forderung 2500 Leute unterzeichnet. Sie habe jedoch keinen Einfluss auf die Arbeit der Ausländerbehörde und sei lediglich ein Beschwerdeschreiben oder ein Ersuchen, heißt es dazu aus dem Rathaus.