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Kritik am Konsolidierungsweg "Barleben rechnet sich den Haushalt schön"

Eine der einst reichsten Gemeinden Sachsen-Anhalts muss nach Einnahmeeinbrüchen radikal sparen. Doch das Haushaltskonsolidierungskonzept ist umstritten.

22.06.2015, 01:19

Magdeburg l Der Schock war groß: Innerhalb von nur zwei Jahren musste Barleben (Landkreis Börde) einen massiven Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen verkraften. Innerhalb von zwei Jahren ging es von 31 Millionen auf vier Millionen Euro runter. Nachdem sich die Gemeinde jahrelang Investitionen leistete, von denen andere nur träumen konnten, muss sie nun auf jeden Cent schauen. Allein in diesem Jahr fehlen mehr als 14 Millionen Euro. Doch einige Sparmaßnahmen des Konsolidierungskonzeptes, die am Donnerstag verabschiedet werden sollen, sorgen für Zündstoff.

Barleben kann sich viele freiwillige Aufgaben nicht mehr leisten. Um nicht darauf verzichten zu müssen, soll der Zweckverband Technologiepark Ostfalen (TPO) ab 2017 einige Aufgaben übernehmen - unter anderem Kosten für Städtepartnerschaften Barlebens, Präsente und Autogrammkarten der Heidekönigin. Kostenpunkt: rund 320000 Euro bis 2023. So steht es bereits schwarz auf weiß im Sparkonzept. Dem Zweckverband gehören aber auch der Landkreis Börde, die Gemeinde Niedere Börde und die Stadt Wolmirstedt an. Und abgestimmt hat sich die Verwaltung mit den TPO-Partnern bisher nicht.

Partner Barlebens sind überrascht

"Das höre ich zum ersten Mal", sagte der Vertreter Wolmirstedts, Kurt Prilloff, der Volksstimme. Auch Erika Tholotowsky, Bürgermeisterin der Gemeinde Niedere Börde, kennt die Barleber Pläne nicht. "Wir können uns vorstellen, einige Aufgaben zusammen zu machen. Aber von diesen Details bin ich überrascht", sagte sie.

Ob der TPO die Aufgaben tatsächlich übernimmt, entscheidet die Verbandsversammlung - dort haben der Landkreis und die drei Gemeinden je eine Stimme. Vorsitzender des Gremiums ist der Barleber Bürgermeister Franz-Ulrich Keindorff (FDP). Er findet den Ansatz plausibel. "Der Zweckverband und die Gemeinde Barleben profitieren mit ihrer hohen Standortattraktivität letztlich voneinander", teilte er mit. Die Barleber TPO-Partner ließen jedoch offen, ob sie dem Konzept zustimmen werden.

Streit um Prognose der Gewerbesteuern

Offen ist ebenfalls, ob die Kommunalaufsicht (Landkreis Börde) das Sparkonzept insgesamt genehmigen wird. Denn die Gemeinde plant eine Kreditaufnahme in Höhe von 24,7 Millionen Euro. Ob der Landkreis den Kredit absegnen wird, wollte er bisher nicht beantworten.

Der Kreis muss einerseits den Haushalt prüfen, steht andererseits aber selbst unter Druck. Er ist von den Zahlungen der Gemeinden abhängig - Barleben schuldet dem Landkreis für 2013 und 2014 noch mehr als 13 Millionen Euro Kreisumlage. Solange der Haushalt 2015 und das Sparkonzept nicht genehmigt sind, wartet die Kreiskasse weiter auf das Geld. Einige Gemeinderäte befürchten, dass die Kommunalaufsicht bei der Prüfung nicht so genau hinschauen könnte - um an die eigenen Gelder zu kommen.

Kommunalaufsicht will Konzept erst später prüfen

Dritter Streitpunkt: die Gewerbesteuereinnahmen. 2015 rechnet die Gemeinde mit rund 8,7 Millionen Euro. Ab 2017 soll sich der Betrag fast verdoppeln (16,7 Millionen Euro) - so schätzt es die Verwaltung im Haushalt. Der Vorteil: Durch die gute Prognose müssen weniger Sparbeschlüsse gefasst werden. Bürgermeister Keindorff sagt: "Die Gemeinde steht mit ihren ansässigen Unternehmen in ständigem und gutem Kontakt." Man habe die größten Gewerbesteuerzahler zu ihren eigenen Entwicklungsprognosen befragt. Doch ist die Prognose realistisch? Die Fraktion der Freien Wähler/Piraten ist skeptisch.


"Dass ein Bürgermeister, der damals beim Gewerbesteuereinbruch so verkehrt lag, uns jetzt eine Prognose unterbreitet, die mehr als doppelt so hoch ist wie aktuell, halte ich für höchst unseriös", sagte Edgar Appenrodt, Vorsitzender des Finanzsausschusses. Für diese Schätzung gebe es keine Belege. Appenrodt sagt: "Die Gemeinde rechnet sich den Haushalt schön." Die Kommunalaufsicht wollte die Pläne vor der Gemeinderatssitzung nicht bewerten. Auf Volksstimme-Anfrage kündigte die Behörde an, man werde nach dem Beschluss prüfen, ob das Konzept "in sich schlüssig" sei.