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Luther-Botschafterin Käßmann "Der Papst ist herzlich willkommen"

25.06.2015, 01:08

Magdeburg/Berlin l Seit fünf Jahren wirbt die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann als "Luther-Botschafterin" für das Reformationsjubiläum, das 2017 in Wittenberg gefeiert wird. Volksstimme-Redakteur Hagen Eichler sprach mit ihr.

Frau Käßmann, viele Menschen fragen sich, was 2017 eigentlich gefeiert wird. Wie lautet die kürzeste Antwort, die Sie geben können?
Margot Käßmann: Wir feiern einen Aufbruch in Kirche und Gesellschaft, der bis heute anhält.

Wir feiern also keinen Hammer- und Nagel-Einsatz an einer Kirchentür im Jahr 1517?
Historisch ist es umstritten, ob Martin Luther an der Wittenberger Schlosskirchentür wirklich den Hammer geschwungen hat. Aber schon seit dem 16. Jahrhundert gilt die Veröffentlichung der 95 Thesen symbolisch als Beginn der Reformation. Wir wissen aber heute: Reformation war ein sehr breiter Prozess. Die böhmischen Kirchen sagen zu Recht: Schon 100 Jahre vorher hatte Jan Hus sehr ähnliche Ideen.

Sie sprechen am Freitag in der Magdeburger Johanniskirche. Genau 491 Jahre zuvor hat an der gleichen Stelle Luther gepredigt. Was hat er damals gesagt und was davon würden Sie heute anders machen?
Luther soll damals über den Unterschied zwischen falscher und wahrer Gerechtigkeit gepredigt haben. Es ging also um die Rechtfertigung aus dem Glauben allein und nicht durch das, was wir im Leben tun. Die Aufgabe heute ist, das in unsere Zeit zu übersetzen. Was ist der Sinn des Lebens? Menschen in unserer Gesellschaft, die ihren Arbeitsplatz verlieren, die alt sind, die nicht mithalten können, haben oft den Eindruck, ihr Leben sei nichts mehr wert. Die christliche Antwort ist: Dein Leben ist etwas wert, weil Gott ihm längst einen Wert zugesagt hat. Das ist eine wichtige Botschaft für viele, die heute am Rande stehen.

Diese Botschaft findet in Ostdeutschland wenig Anklang. In Wittenberg, dem Ursprungsort der Reformation, gibt es nur noch zehn Prozent Christen. Könnte es sein, dass das Reformationsjubiläum ein Missionsprojekt für eine entchristlichte Region ist?
Erst einmal ist es ein Projekt, das daran erinnert, was in dieser Region passiert ist, was von dort aus in die ganze Welt hinausgegangen ist. Daran haben auch viele Menschen ein Interesse, die nicht religiös gebunden sind. Nehmen wir mal Luthers Hochzeit, die jedes Jahr in Wittenberg gefeiert wird. Das ist nun wirklich kein religiöses Fest, aber viele Menschen haben ein großes Interesse daran.

2017 wird es in Wittenberg einen Festakt mit vielen Politikern geben, einen riesigen Open-Air-Gottesdienst - welche Veranstaltung ist die wichtigste?
Für mich persönlich ist das die Weltausstellung Reformation, die von Mai bis September 2017 in Wittenberg stattfindet, weil es dort viele unterschiedliche Zugänge zur Reformation gibt. Wir wollen ja nicht nur ins 16. Jahrhundert zurücksehen, sondern uns fragen: Was ist reformatorisch heute dran, wo müssen wir Kirche und Gesellschaft verändern? Ich wünsche mir, dass wir bei der Weltausstellung genau das diskutieren. Luther hätte gewollt, dass jeder selbst die Bibel liest und dann für das eigene Leben die Konsequenzen daraus zieht.

Ministerpräsident Haseloff hat für 2017 auch Papst Franziskus eingeladen. Was machen Sie eigentlich, wenn der wirklich kommt? Wie könnten Sie ihn einbinden in so ein Reformationsfest?
Als Evangelische sage ich: Alle sind eingeladen. Und wenn der Papst kommen möchte, ist er herzlich willkommen.

Könnte von einem gemeinsamen Auftritt beider Konfessionen nicht ein ganz besonderes Signal ausgehen?
Wir planen für die Passionszeit 2017 einen Versöhnungsgottesdienst unter dem Motto "Das Heilen der Erinnerungen". Heute wissen wir, dass uns mit der katholischen Kirche wesentlich mehr verbindet, als uns trennt. Ansonsten ist uns wichtig, dass viele Menschen die Themen diskutieren, für die der Papst steht: Zuwendung zu Flüchtlingen, Kapitalismuskritik und jetzt die Umweltfrage. Es gibt ein praktisches Christentum, bei dem die dogmatischen Fragen in den Hintergrund treten.

Margot Käßmann spricht am Freitag ab 18 Uhr in der Magdeburger Johanniskirche über das Reformationsjubiläum.