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Bildung Lernen lernen in den Ferien

Jeder zehnte Schüler im Land verlässt die Schule ohne Abschluss. Die Quote ist fast doppelt so hoch wie im Bundesschnitt.

Von Franziska Höhnl 30.07.2015, 17:52

Magdeburg (dpa) l Janina ist 15, als sie von einer Sprachheilschule auf eine Sekundarschule in Wanzleben (Landkreis Börde) wechselt. Der Schritt fällt ihr nicht leicht - viele Mitschüler haben ein schiefes Bild von Förderschülern wie Janina. Sie muss sich gegen verletzende Sprüche wehren und trotzdem viel Kraft ins Lernen stecken. Die schwierige Situation könnte ihren Schulabschluss gefährden.

Janina ist ein Beispiel, auf das die Verantwortlichen in Sachsen-Anhalt für ein landesweites Projekt zur Vermeidung von Schulversagen verweisen, um ihre Arbeit zu erklären: Kinder sollen frühzeitig unterstützt, vom Abbruch bedrohte Schüler individuell betreut werden. Seit 2009 gibt es in Sachsen-Anhalt das Programm "Schulerfolg sichern" - und zwar aus gutem Grund. Denn das Land hat eine der höchsten Schulabbrecher-Quoten in Deutschland.

Schulabbrecher-Quote gesunken

Der Kreis Mansfeld-Südharz ist einer aktuellen Studie der Caritas zufolge sogar trauriger Spitzenreiter mit einer Quote von 12,6 Prozent. Bundesweit liegt der Schnitt bei 5,6 Prozent. Der Studie zufolge haben Abbrecher viel schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Das Programm soll die Zahl der Schulversager deutlich senken. Ein Erfolg ist dem Magdeburger Kultusministerium zufolge schon messbar. In den 200 Programmschulen sank die Zahl der Abbrecher demnach zwischen 2005 und 2013 von 12 auf 5,6 Prozent. Landesweit konnte die Quote seit Programmstart von 12,7 auf 9,7 Prozent gesenkt werden.

Wie sieht der Kampf für mehr Schulerfolg aus? "Die Grundfrage unseres Programms ist: Was brauchen Kinder und Jugendliche, um sich angenommen und sicher zu fühlen und selbstbestimmt zu lernen?", beschreibt Koordinatorin Franziska Lau von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung den Ansatz. Dafür gebe es an den Programmschulen etwa 210 Schulsozialarbeiter, die an einem engmaschigen Unterstützungsnetz arbeiten. Sie suchen mit Lehrern, Jugendämtern, Eltern, Kommunen, Sportvereinen und der Polizei nach Lösungen, um Schulabbrüche zu verhindern. Zudem testen sie in Modellprojekten besondere Lerncamps und individuelle Unterrichtsformate.

Lehrer für Abbrecher-Signale sensibilisieren

Einen solchen Ansatz nennt auch der renommierte Bildungsforscher Klaus Klemm als guten Weg, um die Zahl der Abgänger ohne Schulabschluss zu senken. "Schule muss sich viel stärker darauf einstellen, dass vor den Lehrern Schüler sitzen, die sich im Lerntempo, in ihren Fähigkeiten und Interessen stark unterscheiden", sagt der emeritierte Professor der Uni Duisburg-Essen und Pisa-Experte. Unterricht müsse individueller werden, Schulsozialarbeiter sollten die Lehrer unterstützen.

In Sachsen-Anhalt sind die Lehrer im Programm für erste Abbruch-Signale sensibilisiert, um früh zu reagieren. "Schulversagen ist ein sehr komplexes Geschehen", sagt Lau. Gefahren für den Schulerfolg könnten Mobbing, mangelnde Sprachkenntnisse oder Probleme im Elternhaus sein, aber auch Unter- oder Überforderung im Unterricht und ein schlechtes Klassenklima.

Sobald die Schulsozialarbeiter den Fall kennen, läuft die individuell abgestimmte Hilfskette an. Bei Janina aus Wanzleben gehören zwei Lehrerinnen zum Unterstützer-Team. Sie schlugen dem Mädchen ein Bildungscamp vor, halfen ihr mit Gesprächen, selbstbewusster zu werden. Janinas Schulabschluss ist den Koordinatoren zufolge nicht mehr in Gefahr, ihr sonderpädagogischer Förderbedarf wurde aufgehoben.

"Schulerfolg sichern" wird ausgebaut

Die Vision der Projektträger: Ihre Arbeit soll ausstrahlen in die Kommune, alle sollen sich mitverantwortlich für Schulerfolg fühlen. "Wir wollen eine Willkommenskultur an Schulen. Nicht nur Kinder sollen sich angenommen fühlen, sondern auch die Eltern."

Diesen Netzwerkansatz will Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren ausbauen. Zum Start des neuen Schuljahres sollen laut Ministerium 150 Schulen neu ins Programm kommen, 170 Schulsozialarbeiter sind zusätzlich eingeplant. Dafür stellt das Land bis 2020 rund 96 Millionen Euro aus EU-Töpfen und eigenen Mitteln zur Verfügung.