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Gut eineinhalb Jahre nach dem Unglück im Salzlandkreis: LMBV bereitet Bohrungen im Seeuntergrund vor Für die Sanierung soll Concordiasee seine letzten Geheimnisse preisgeben

Von Anja Keßler 24.03.2011, 04:34

Um die Sanierung der Böschung am Nachterstedter Ufer des Concordiasees voranzutreiben und Ursachen für das tragische Unglück im Juli 2009 einzugrenzen, werden derzeit Bohrungen im Seegrund vorbereitet. Dazu wurden gestern erste Teile der technischen Ausrüstung auf Pontons gehoben.

Schadeleben. Es zieht Reiner Stäuber immer wieder zum Aussichtspunkt in Schadeleben. Er wirft dann eine Münze in das festinstallierte Fernglas und blickt nach drüben. Auf die andere Seite vom Concordiasee. An das Ufer, an dem vor zwei Jahren noch das Haus seiner Schwägerin stand. "Sie haben aufgeräumt", sagt er gestern. "Die Trümmer sind weg. Man sieht nur noch die Spuren der Raupen." Stäuber verlor am 18. Juli 2009 seine Schwägerin. Die Schwester seiner Frau war eines der drei Opfer, die beim Erdrutsch in Nachterstedt starben. "Das Leben geht weiter", sagt Stäuber gestern, den Blick auf den See, das nasse Grab. "Beerdigen konnten wir sie nicht – jetzt steht ein Gedenkstein auf unserem Familiengrab." Dabei wird es vorerst wohl auch bleiben. "Die haben jetzt anderes zu tun, als nach den Toten im See zu suchen", sagt Stäuber.

Mit "die" meint er die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft. Die LMBV bereitet seit Februar die seeseitige Erkundung mit Bohrgeräten auf dem Concordiasee vor. Dazu wurde gestern ein Bohrgerät per Kran auf ein sogenanntes Arbeitsponton gehoben. Die Nachricht davon hatte Stäuber in der Zeitung gelesen und war darum zum See hinausgefahren.

Verzögerung

In zwei Wochen sollen die Bohrungen auf der Nachterstedter Uferseite beginnen. Zwei Arbeitspontons – schwimmende Plattformen – sind dazu am Schadeleber Ufer zu Wasser gelassen worden. Auf den 24 mal 12 Meter großen Pontons werden in den kommenden Tagen Bohr- und Sondiergeräte, Kompressoren, Notstromaggregate und Container geladen. Ursprünglich sollten die Arbeiten bereits im November vergangenen Jahres beginnen. "Die Witterung hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht", erklärt Projektleiter Mathias Siebert von der LMBV. Nun sollen die Pontons, die vollausgerüstet 200 Tonnen wiegen, Anfang April über den Concordiasee gefahren werden und im Nachterstedter Uferbereich verankert werden. 18 beziehungsweise 28 Meter hoch sind die Ankerstützen, die in den Seegrund gerammt werden, um die schwimmenden Inseln festzumachen. In bis zu 25 Meter Tiefe sollen 18 Bohrungen vorgenommen werden. Ein kleineres Versorgungsponton wird die Besatzung – bis zu acht Mitarbeiter je Plattform – täglich über den See fahren und für Nachschub an Diesel und anderen notwendigen Dingen sorgen.

Die GPS-Daten für die Stellen, an denen die Bohrer den Untergrund des ehemaligen Tagebaus löchern sollen, stehen fest. "Das wird für uns kein Stochern im Nebel", sagt Projektleiter Siebert. Mit den Ergebnissen der geologischen Untersuchungen soll eine Grundlage geschaffen werden, die Ursachen für den Erdrutsch vor fast zwei Jahren einzuschränken. Die LMBV will damit die Lücken schließen, die die bisherige Ursachenforschung hat. "Wir wissen von Echolotuntersuchungen, wie der Seeboden aussieht", so Siebert. Nun soll erkundet werden, wie der geologische Untergrund beschaffen ist und wie stark die Liegendwasserdrücke sind. Bis Jahresende werden die Untersuchungen dauern.

"Der politische und wirtschaftliche Druck ist enorm", so der Projektleiter. Seit dem Unglück darf der See nicht mehr touristisch genutzt werden. Das Ausflugslokal am Schadeleber Aussichtspunkt steht außerhalb der Sperrgrenze. Doch die zum See hinunterführenden Kieswege werden nur von Mitarbeitern der LMBV und beauftragter Fachfirmen betreten. Rund um den See warnen Schilder vor der Gefahr. Auch wenn vom gewachsenen Ufer in Schadeleben kein Risiko eines Böschungsrutsches ausgeht, gehen die Verantwortlichen auf Nummer sicher.

Langfristiges Ziel ist die erneute touristische Nutzung des Areals. Mit der eigentlichen Sanierung der Böschung will die LMBV noch in diesem Jahr beginnen, "wenn die ersten Bohrergebnisse dies zulassen", erklärte LMBV-Pressesprecherin Karin Franke. Die Flutung des Sees soll ab 2014 fortgesetzt werden. 2025 wird der endgültige Wasserstand mit einer Tiefe von maximal 62 Metern erreicht. Derzeit ist der See 45 Meter tief.

Die Familie von Reiner Stäuber wird dann vielleicht auch nicht mehr an ein leeres Grab zum Gedenken kommen. Die LMBV will während der Sanierung auch nach den Verschütteten suchen, die seit dem Unglück als vermisst gelten.