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Tierschützer finden zuhauf tote Tiere in Bäumen Viele Fledermäuse im Land haben den harten Winter nicht überlebt

Von Oliver Schlicht 23.03.2011, 05:32

Der harte Winter mit dem frühen Frosteinfall Ende November hat den Fledermäusen im Land offenbar übel mitgespielt. Tierschutzexperten berichten über zuhauf erfrorene Tiere, die in Winterquartieren gefunden wurden. Die Tiere haben offenbar den rechtzeitigen Abflug in den warmen Süden verpasst.

Magdeburg. Die Gärtner vom Forstamt Altmark staunten nicht schlecht, als sie kürzlich im Park von Letzlingen (Altmarkkreis Salzwedel) zwei 180 Jahre alte Eichen umlegen mussten. Im Baumstamm befand sich eine knapp einen halben Meter hohe Höhle, die von Abendsegler-Fledermäusen als Winterquartier genutzt wurde. Da sich die Höhle in 15 Meter Baumhöhe befand, war sie vor der Fällung weder von den Forstarbeitern noch von Naturschützern entdeckt worden. Das Innere der Höhle zeigte dann keinen schönen Anblick. Von einer Kolonie mit insgesamt 108 Abendsegler-Fledermäusen waren 40 Tiere bereits verendet.

Sie waren allerdings nicht durch den Baumschlag getötet worden, sondern in der Höhle erfroren. Der lange, früh einsetzende Winter hat den Tieren übel zugesetzt. Peter Loskarn, als Fledermausbeauftragter unter anderem auch für Letzlingen zuständig, kümmerte sich um die noch lebenden Tiere, die sich in eine Ecke der Baumhöhle verkrochen hatten. Loskarn brachte die Fledermäuse in eine Scheune, wo sie in einem Überwinterungskasten ein paar Tage lang ihren Winterschlaf fortsetzten. "Inzwischen wurden sie wegen der einsetzenden Wärme aber unruhig. Wir haben die Tiere wieder im Park ausgesetzt", erzählt Loskarn.

85 tote Tiere im Park von Havelberg

Der Vorfall von Letzlingen ist keine Ausnahme, wie die Landesreferenzstelle Fledermaus im Biosphärenreservat Karstlandschaft im Südharz auf Nachfrage berichtet. Dort haben sich in den vergangenen Wochen Meldungen über tote Fledermäuse in Winterquartieren gehäuft. Bernd Ohlendorf, Leiter der Referenzstelle, nennt Beispiele: "Im Stadtwald von Havelberg wurden 85 Tiere tot geborgen. Ähnliches befürchten wir in einer Platanenanlage in Quedlinburg."

Dort registrierten die Fledermaus-Experten in mehreren bekannten Baumhöhlen keinerlei Tiergeräusche. Ohlendorf: "Normalerweise müsste dort wegen der warmen Temperaturen längst lautes Gepiepse zu vernehmen sein. Aber da ist alles still." Auch dort rechnet der Experte mit dutzenden toten Tieren.

Betroffen sind vor allem die Arten der Abendsegler, Wasserfledermäuse, Fransenfledermäuse und Braune Langohren. 20 verschiedene Arten gibt es insgesamt in Sachsen-Anhalt 27 in Deutschland und etwa 50 in Europa. Warum die Tiere zuhauf die Winterkälte nicht überleben, scheint klar zu sein: "20 Jahre lang hatten wir in Sachsen-Anhalt überwiegend milde Winter. Deshalb sind die Tiere immer weniger in ihre klassischen Überwinterungsgebiete nach Frankreich, Süddeutschland und an den Genfer See gezogen, sondern traten ihren Winterruheschlaf in Sachsen-Anhalt an", erklärt Ohlendorf. Der strenge Frost der vergangenen beiden Winter und vor allem der 2010 bereits Ende November einsetzende Schnee und Dauerfrost haben nun für eine unverhältnismäßig hohe Sterberate unter den Fledermäusen gesorgt. "Die Tiere lernen aus solchen Erfahrungen. Ich gehe davon aus, dass sie im nächsten Jahr wieder mehr südlichere Gefilde zur Überwinterung aussuchen werden."

Das Auffinden der toten Tieren ist in diesen Tagen besonders für die knapp 90 Mitglieder des Arbeitskreises Fledermäuse keine schöne Erfahrung. Diese ehrenamtlich tätigen Tierfreunde kümmern sich in Sachsen-Anhalt um den Bestand. Sie bauen zum Beispiel Sommer- und Winterquartiere, beringen die Fledermäuse zur Bestandserforschung und vermitteln Hilfe, wenn sich zum Beispiel Fledermäuse in Dachstühlen von privaten Wohnhäusern niedergelassen haben.

Baum- und Felshöhlen in Gewässernähe

In der Regel suchen sich die Kolonien aber Baum- und Felshöhlen in der Nähe von Gewässern als Quartier aus. In Sachsen-Anhalt siedeln Fleder- mäuse vor allem im Elbe- Havel-Winkel, im Drömling und im Harz. Eine waldige Umgebung in der Nähe von Gewässern ist besonders beliebt bei den kleinen Säugetieren, die übrigens nicht zu den Vögeln gehören.

Die Mausohrfledermaus ist mit etwa 5500 Tieren in knapp 30 Kolonien hierzulande die bekannteste Art. Wieviel Fledermäuse insgesamt in Sachsen-Anhalt leben, vermag auch Experte Bernd Ohlendorf nicht zu schätzen. "Das lässt sich nicht bestimmen. In der Stadt kann theoretisch hinter fast jeder Dachrinne eine Fledermaus sitzen."

Eine Fledermausgattung allerdings wird wohl kaum in Genthin, Salzwedel oder Halberstadt hinter Dachrinnen sitzen: die Vampirfledermaus. Ihr verdanken wir den zarten Hauch von Grusel, der uns beim Anblick der langen, spitzen Schneidebeißerchen von Fledermäusen umweht. Die Vampirfledermaus, die sich als einzige Säugetierart ausschließlich vom Blut anderer Säugetiere oder Vögel ernährt, ist hierzulande nicht beheimatet. Sie flattert und saugt sich bevorzugt durch den amerikanischen Kontinent.

Das Internet-Lexikon Wikipedia berichtet von Schätzungen, wonach der Fledermausart "Gemeiner Vampir" in Nord- und Südamerika jährlich bis zu 100 000 Rinder zum Opfer fallen. Auch Menschen werden dort immer wieder gebissen, häufig wird dabei die Tollwut übertragen. 2004 sollen in Brasilien bei einem Vampirfledermaus-Angriff 22 Menschen durch Bisse mit Tollwut infiziert worden sein. Alle sind mangels Impfung an den Bissen verstorben.

Wer nun Angst hat, einen abendlichen Spaziergang zum Beispiel durch den Park von Letzlingen zu unternehmen, weil der Fledermausbeauftragte Peter Loskarn dort kürzlich die in der gefällten Eiche geborgenen Fledermäuse ausgesetzt hat, der sei beruhigt. Unsere einheimischen Fledermäuse sind eigentlich nie auf Menschenjagd. Allenfalls zu Halloween könnte ein Dreikäsehoch-Vampir hinter Eichen lauern. Der saugt dann aber in der Regel nicht Blut, sondern an der Fanta-Pulle.

Informationen zum Thema Fledermäuse in Sachsen-Anhalt sind im Internet möglich unter der Adresse:

www.fledermaus-aksa.de