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Landeskriminalamt und Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg entwickeln bahnbrechendes Fingerabdruck-System Fingerprint: Digitales Bild statt Pinsel und Ruß

Von Bernd Kaufholz 08.04.2011, 04:27

Ein Team von Beamten des Landeskriminalamts und Informatikern der Otto-von-Guericke-Universität arbeitet seit etwa einem Jahr an einem gemeinsamen Projekt, das die Arbeit mit Fingerabdrücken revolutionieren könnte. Sollte die digitale Fingerspurensicherung in absehbarer Zeit Pinsel, Ruß und Blaulicht ablösen, wäre das ein großer Fortschritt in der Verbrechensbekämpfung.

Magdeburg. Michael Ulrich greift zum sogenannten Marabu-Pinsel – gefertigt aus den Federn eines afrikanischen Storchenvogels. Dann streicht er damit vorsichtig Rußpulver auf eine Henkeltasse. Nach wenigen Sekunden werden auf der Keramikoberfläche Fingerabdrücke sichtbar. "Eine Methode, wie sie seit mehr als 100 Jahren bei den Spurensuchern der Polizei üblich ist. Die mit nur ganz wenigen Veränderungen seitdem zum Grundrepertoire der Ermittler gehört", sagt der Kriminalrat vom Landeskriminalamt (LKA).

Doch der Federpinsel und das Rußpulver könnten in den nächsten Jahren ebenso wie die Blaulichtlampe – die Papillarlinien auf sogenannten Spurenträgern sichtbar machen – zum alten Eisen gehören.

Eine gemeinsame Arbeitsgruppe des LKA und der Magdeburger Uni versuchen, das Sichern von Fingerabdrücken auf ein digitales Niveau zu heben.

Ulrich erklärt, warum es Zeit für diese Innovation auf dem Gebiet der Rechtssicherheit ist: "Bisher ist es nicht möglich, dass Fingerabdrücke berührungslos von Spurenträgern abgenommen werden. Das ist ein Unsicherheitsfaktor."

"Heute wird die Spur mit Chemikalien behandelt"

Und Biochemikerin Anja Bräutigam weiß sofort, wovon der Chef der LKA-Tatortgruppe spricht: "Um heute den Fingerabdruck sichtbar zu machen, der unter anderem aus Aminosäuren, Fett und Schweiß besteht, muss er mit Chemikalien behandelt werden. Und selbst ein Laie kann sich vorstellen, dass dadurch die Spuren nicht besser werden."

Auch das mechanische Abheben der sichtbar gemachten Fingerabdrücke auf Klebefolien sei nicht das schonendste Verfahren – allerdings ein seit Jahrzehnten bewährtes.

Hinzu komme der Zeitfaktor. Spurenträger nach herkömmlicher Methode zu bearbeiten, bis sie mit der zentralen Fingerabdruckkartei des Bundeskriminalamts verglichen werden können, dauere heute mehrere Tage. Mit dem sogenannten Digi-Dak, der digitalen Fingerabdrucksicherung, geht das Prozedere weitaus schneller und völlig ohne Substanzen, die das Papillarbild beeinträchtigen können.

"Berg-und-Tal- Rillenmuster digital und in 3D"

Das auf drei Jahre ausgerichtete Digi-Dak-Projekt, in das neben dem LKA und der Uni auch die Fachhochschule Brandenburg, die Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung (Datenschutz) an der Universität Kassel sowie drei Privatunternehmen eingebunden sind, basiert – um es allgemein verständlich zu beschreiben – auf Abtastung durch einen Weißlicht-Punktscanner.

Anja Bräutigam legt einen Beilstiel unter das Abtastgerät. Ein stecknadelgroßer weißer Punkt wird auf dem Holz sichtbar. "Das Gerät sendet Licht aus, erkennt dadurch die Höhe des Fingerabdrucks im Mikrometerbereich (1 Mikrometer ist gleich 0,001 Millimeter) und bildet das ,Berg-und-Tal-Rillenmuster‘ des Abdrucks digital in 3D ab", erklärt Informatiker Mario Hildebrandt.

Gegenwärtig gibt es nur Laborversuche. Das heißt, es können vorerst lediglich Spurenträger untersucht werden, die man in ein Laboratorium bringen kann. Ulrich: "Allerdings ist vorgesehen, dass später auch größere Gegenstände vor Ort auf Fingerabdrücke abgesucht werden können." Erste Ansätze für mobile Sensor-Geräte gebe es bereits.

Auf dem Monitor erscheint ein Gewirr von blauen Streifen. Jeder Strang ist etwa so breit wie ein Unterarm. Es ist der Teil eines gescannten Fingerabdrucks – Auflösung rund 25000 dpi (Punktdichte) oder besser beschrieben: Im Größenverhältnis zum Originalabdruck 1:150. Beim dreidimensionalen Drehen werden die mikrometerkleinen Höhenunterschiede wie Berg und Tal sichtbar.

Das Team hofft, dass es durch das Verfahren möglich werden wird, überlagerte und damit heute nicht auswertbare Fingerspuren zu separieren und digital sichtbar zu machen. Und auch, dass das Alter der "Daktys" einmal erkannt werden kann, scheint keine Utopie mehr zu sein, glaubt Ina Großmann, Fingerabdruck-Expertin beim LKA. "Heute ist eine Altersbestimmungg gar nicht möglich. Mit dem neuen System könnte man möglicherweise auf Wochen – aber wohl eher auf Monate genau – bestimmen, wann eine Person ihre Papillarlinien zum Beispiel auf einem Glas oder einem Tresor hinterlassen hat.

Seit rund einem Jahr versucht die sechsköpfige Gruppe das System mehr und mehr zu perfektionieren. Großmann sieht mehr als eine gute Chance, das "Digi-Dak" so weit entwickelt werden kann, dass die so berührungslos digitalisierten "Daktys" in Prozessen als Beweismittel anerkannt werden.

Bevor jedoch das Feinscannverfahren zum Zuge komme, müsse, so Projektleiter Ulrich, zuerst "grob gescannt" werden. "Das heißt, wenn wir einen großen Spurenträger haben, wird voruntersucht, wo sich möglicherweise Fingerabdrücke befinden können."

Für den erfahrenen Kriminalisten Ulrich ist die wissenschaftliche Arbeit "eine neue Erfahrung". Und er kann sich noch gut daran erinnern, wie die Idee für "Digi-Dak" geboren wurde. "2003, beim Tag der offenen Uni-Tür, wurde auf dem Alten Markt in Magdeburg ein biometrisches Verfahren, auch für Fingerabdrücke, vorgestellt." Der Kriminalist hatte sich dafür interessiert und war mit den Ausstellern ins Gespräch gekommen.

"Es ging um hochauflösende Scannverfahren und dabei auch um hochauflösende Fingerabdruckvisualisierung.

Ein Jahr später wurde das Verfahren als "recht tauglich" eingestuft und das Innenministerium interessierte sich dafür. "Doch ein LKA ist kein Forschungsinstitut. So nebenbei ein solches Projekt zu stemmen, geht einfach nicht – und ohne Drittmittel auch nicht", so der Kriminalrat. Die Projektgruppe wurde gebildet und ein Projektantrag gestellt. Am 1. Januar 2010 erhielt das Team den Zuschlag und kann innerhalb von drei Jahren ein System entwickeln, das Straftätern das Fürchten lehrt.