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Das ZDF macht Musik in Dessau Auf Bauhaus-Hockern in der Intimzone des Pop

Von Oliver Schlicht 25.05.2011, 06:33

In diesem Monat startete der Theaterkanal-Nachfolger zdf.kultur. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen haucht dem Musik-TV mit diesem Neustart wieder etwas Leben ein, nachdem der Klassiker MTV zu Jahresbeginn ins Bezahlfernsehen abgewandert ist. Im Konzertkalender von zdf.kultur ist auch Sachsen-Anhalt mit einer eigenen Musikreihe vertreten.

Dessau. Laura und Jessica sitzen am Montag auf den Stufen vor dem Seiteneingang zum Kultursaal des berühmten Bauhauses. Fein herausgeputzt haben sich die beiden 15-jährigen Mädchen. In 30 Minuten geht das Konzert los. "In Dessau ist ja für uns sonst kaum etwas los. Das ist schon toll mit dem ZDF", findet Laura. Die Eintrittskarte gab es von der Mutti als "vorfristiges Kindertag-Geschenk", wie sie schmunzelnd erzählt.

Besonders tief in die Tasche mussten die Konzertbesucher nicht greifen. Nur 15 Euro kassierte das ZDF für die Eintrittskarte zur heutigen Aufzeichnung in der Konzertreihe von "ZDF@bauhaus". Dafür gibt es live immerhin eine Künstlerin, die zu Jahresbeginn 2010 mit "I will love you Monday (365)" in Deutschland einen Nummer-1-Hit gelandet hat: Aura Dione, aufgewachsen in Dänemark, schickt sich gerade an, eine Weltkarriere zu starten.

Hinzu kommt an diesem Abend die Kölner Indie-Pop-Band "Erdmöbel", die sich nach einer angeblichen DDR-Bezeichnung für Särge benannt hat. "Erdmöbel" gibt es bereits seit 1995. Acht Alben haben sie produziert, einem breiten Massenpublikum sind sie aber weniger bekannt.

Das Gros der Zuschauer kommt aus Dessau

In Dessau treffen die Musiker auf ein offenes, interessiertes Publikum. Das Gros sind junge Leute, viele Familien, ganz offenbar in der Mehrzahl tatsächlich in Dessau zu Hause. Im nicht sehr fernen Berlin hat den Konzertort Dessau offenbar noch niemand so richtig auf dem Schirm. So war es wohl bislang auch noch recht unproblematisch, an Eintrittskarten heranzukommen. Das könnte sich bald ändern. Erst am vergangenen Sonnabend wurde das erste Konzert der Reihe "ZDF@bauhaus" bei zdf.kultur ausgestrahlt – ein Auftritt der Reggae-Band "Gentleman". An diesem Sonnabend (21 Uhr) folgt ein Konzert mit "Milow", einem Liedermacher aus Belgien.

"Derzeit nehmen wir die Konzerte 14, 15 und 16 auf. Die Konzertreihe aus Dessau wird an den Sonnabenden zum festen Bestandteil unseres Programms gehören", erzählt Daniel Fiedler, Programm-Koordinator von zdf.kultur. Im Juni/Juli allerdings unterbrochen von Liveübertragungen von verschiedenen Musik-Festivals (Infokasten).

Einen Konzertort zu schaffen, dessen experimenteller Geist bis heute zu spüren ist, war das gemeinsame Interesse von ZDF und Bauhaus-Stiftung. Zustande kam die ungewöhnliche Verbindung aus einer Zusammenarbeit beim Kurt-Weill-Festival. Für die Stadt Dessau und Sachsen-Anhalt ist das durchaus eine Auszeichnung. Den weitaus überwiegenden Teil der neuen Musikshows und Magazine für zdf.kultur produziert das ZDF in Berlin. Auch technisch ist der Produktionsort Dessau eine Herausforderung. Zwei riesige HD-Studio-Trucks stehen vor dem Bauhausgebäude, um das Konzert technisch hoch anspruchsvoll aufzeichnen zu können. Der Kultursaal selbst hat sich in ein Fernsehstudio verwandelt – mit Regiepulten, fahrbaren Kameras, Kamerakränen und vielen Scheinwerfern.

Nicht im Saal "herumlümmeln"

Dass dieser geschichtsträchtige Raum auch seine Tücken hat, zeigt sich an der Sitzordnung. Das Publikum – höchstens 100 Personen – darf nicht locker im Raum auf Sitzkissen "herumlümmeln", sondern muss aus Sicherheitsgründen in Sitzreihen auf Hockern Platz nehmen. Diese Hocker – mit Kabelbindern zusammengebundene Edelteile nach Entwürfen von Bauhaus-Ikone Marcel Breuer – stehen nicht im eigentlichen Saal, sondern auf der Hinterbühne. Der Saal selbst mit seinen Leuchten und Türen aus den 1920er Jahren wird zur Hintergrundkulisse der Konzertaufzeichnung. Diese strenge Sitzordnung in Reih und Glied stört aber im Konzert nicht wirklich. Sitzt doch selbst der Zuschauer in der letzten Hockerreihe keine zehn Meter entfernt von den Musikern. Breite Gänge zwischen den Reihen sind auch technisch nötig, um Kamerafahrten durch das Publikum zu ermöglichen. Trotzdem wird der Saal zur musikalischen Intimzone. Sängerin Aura Dione hat viel Spaß und plaudert häufig mit dem Publikum. Das wiederum erlebt einen tollen Konzertsound, bei dem die Schlagzeugtrommeln ganz direkt und unverstärkt den Weg in den Bauchraum finden.

Vielleicht geht die Rechnung des ZDF ja auf und es gehört für Musiker irgendwann zum guten Ton, ein Konzert im Bauhaus-Konzertsaal aufgenommen zu haben – ähnlich wie das große Vorbild MTV Unplugged. Selbst ganz große Namen sind im Gespräch, was gerüchteweise hinter den ZDF-Kulissen zu hören war. So soll REM "fast geklappt" haben.

An welchem seidenen Faden solche großen Produktionsserien wie zdf@bauhaus hängen, zeigt der Umstand, dass seit Monaten bereits Konzerte in Dessau aufgezeichnet werden, das ZDF diese Reihe aber erst am Montag dieser Woche auch ganz offiziell gestartet hat. Warum erst jetzt? ZDF-Programm-Koordinator Daniel Fiedler: "Wir mussten erst einmal schauen, ob das hier alles so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt hatten."

Offenbar funktionierte es. Zum Glück für Dessau.