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Für den Wernigeröder ist der Harzer Gipfel ein Symbol der deutschen Einheit Bis zum 80. Geburtstag will Benno Schmidt zum 6666. Mal auf den Brocken

Von Johann Tischewski 31.05.2011, 04:36

Schierke (dapd). Als er die Waldgrenze auf etwa 1100 Meter Höhe erreicht, bleibt Benno Schmidt stehen und blickt auf den Gipfel. Hier beginne wegen des Windes das schwerste Stück des Aufstieges, sagt er. An manchen Wintertagen habe er allein für diese letzten Meter bis zum 1142 Meter hohen Brockengipfel über eine Stunde gebraucht, teilweise kriechend. Über 6300-mal hat der 79-jährige Schmidt den höchsten Berg im Harz bestiegen. Bis zu seinem 80. Geburtstag im Mai 2012 will der als Brocken-Benno bekannt gewordene Wanderer 6666 Aufstiege vorweisen.

Dass er den Aufstieg auch bei Extremwetter unternehme, sei eine Frage der Ehre, sagt Schmidt. Selbst als vor vier Jahren der Orkan Kyrill über Deutschland tobte, sei er auf dem Gipfel gewesen. Die Bäume hätten sich damals im Winkel von 45 Grad über seinem Kopf zusammengebogen, erzählt er. Am nächsten Tag habe er elf umgestürzte Bäume auf seiner Route gefunden.

Auf die Frage, was ihn immer noch antreibe, im Alter von bald 80 Jahren fast jeden Tag den Berg zu besteigen, antwortet er, es sei das Gefühl des Versäumnisses, der Sehnsucht und des Nachholens. Mehr als 28 Jahre lang habe er den Berg jeden Tag von seinem Heimatort Wernigerode sehen können, ohne ihn jedoch jemals betreten zu dürfen.

Der Brocken lag seit dem Mauerbau im August 1961 im militärischen Sperrgebiet. Erst am 3. Dezember 1989 durfte der Berg wieder von der Zivilbevölkerung betreten werden. Schmidt hatte zuvor mit Hunderten Demonstranten stundenlang am Sperrzaun demonstriert, bis die Grenzsoldaten das Tor zum Gipfel endlich öffneten. So sei der Berg für ihn heute vor allem ein Symbol der deutschen Einheit, sagt er. Das tägliche Bezwingen des "deutschesten aller deutschen Berge", wie Schmidt den Brocken den Dichter Heinrich Heine zitierend gern nennt, verstehe er demnach auch als patriotischen Akt.

Viele Wanderer, denen Schmidt auf seinem Weg durch das Eckerloch begegnet, kennen den kleinen drahtigen Mann mit den kurzen Hosen, der großen Brille und den zahlreichen Buttons am Baseball-Cap bereits. Wenn er auf unbekannte Gesichter trifft, bleibt er stehen, unterhält sich kurz und stellt sich vor. Manche hielten ihn wegen seiner Passion für den Berg für einen Spinner, sagt er. Aber der Zuspruch, den er bekomme, bekräftige ihn, in dem was er tue. Um auf die zahlreichen Anfragen zu reagieren, habe er sich eine eigene Internetseite eingerichtet und sogar Autogrammkarten drucken lassen.

In den vergangenen Jahren hat Schmidt ständig neue Rekorde angestrebt: den Titel Wanderkönig, den Titel Wanderkaiser, die 1000. Besteigung, die 5000. Besteigung, die 6000. Besteigung und jetzt eben die 6666. Besteigung vor seinem 80. Geburtstag. Wirklich wichtig sei ihm aber vor allem, dass er noch möglichst lange seiner Passion nachgehen könne. Und wenn er dann irgendwann doch nicht mehr könne, wolle er am liebsten einfach "da oben bleiben", sagt er.