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Kommunismus-Debatte hält an Landesspitze der Linken ist verärgert über die Arbeit der Bundespartei

Von Michael Bock 13.01.2011, 05:26

Nach Auffassung des Magdeburger Politikwissenschaftlers Wolfgang Renzsch wird die Kommunismus-Debatte den Landtagswahlkampf der Linken in Sachsen-Anhalt belasten. "Ich glaube, dass das der Linken schaden wird", sagte er gestern in einem Volksstimme-Gespräch. In Sachsen-Anhalt wird am 20. März ein neuer Landtag gewählt.

Magdeburg. Die Co-Bundesvorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, hatte mit einem Beitrag zum Kommunismus in der Zeitung "Junge Welt" eine heftige Debatte ausgelöst. Sie schrieb unter anderem: "Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung."

Der Landesvorsitzende der Linken, Matthias Höhn, sagte der Volksstimme gestern: "Die Kommunismus-Debatte war überflüssig." Er sprach von "kruden Ideologievorstellungen". Der Parteichef kritisierte, dass die Bundes-Linke die Oppositionsarbeit der SPD und den Grünen überlasse. "Das liegt auch daran, dass wir uns auf die falschen Dinge konzentriert haben", sagte er. Und: "Die Bundesspitze muss besser werden. Glücklich können wir mit der Performance der letzten Wochen nicht sein."

Höhn glaubt aber nicht, dass die Debatte der Linken im Land schadet. "Ich sehe keine unmittelbare Gefahr für uns, weil uns die Leute hier nicht unter der Kommunismus-Überschrift subsumieren", sagte er. "Ich bin nicht panisch oder nervös."

Allerdings: Der sachsen-anhaltische Linken-Bundestagsabgeordnete Harald Koch (Sangerhausen) hatte den Lötzsch-Vorstoß in der "Mitteldeutschen Zeitung" ausdrücklich gelobt. Sie spreche "den meisten von uns Linken aus dem Herzen", sagte er. Lötzsch rufe "Befürworter einer Reformierung des hemmungslosen Raubtierkapitalismus wieder in die politische Realität zurück".

Höhn bezeichnete Kochs Ausführungen als "Unfug" und "Einzelmeinung".

Der Spitzenkandidat der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, äußerte sich kritisch zur Arbeit der Bundesparteispitze. "Wichtig wäre mir, dass von der Bundesführung stärker als in den letzten Monaten inhaltliche Signale ausgehen", sagte Gallert der Zeitung "Die Welt". Als Themen, bei denen die Linke mehr Impulse setzen müsse, nannte der Chef der Landtagsfraktion Hartz IV, Energiegewinnung und Demokratieentwicklung.

Die aktuelle Kommunismus-Debatte sei weder für die Arbeit der Partei noch für die Programmdiskussion hilfreich, sagte Gallert weiter. Er befürchte aber keine negativen Auswirkungen auf das Abschneiden der Linkspartei bei den Landtagswahlen, meinte er. "Das wäre nur dann der Fall, wenn die Leute den Eindruck hätten, dass wir politische Veränderungen nicht im Rahmen des Grundgesetzes, sondern mit undemokratischen Mitteln durchsetzen wollen."

Der Politikwissenschaftler Renzsch erklärte, dass Landesverbände unabhängig von der Bundespartei agieren könnten. Doch auch die Linke in Sachsen-Anhalt könne sich der aktuellen Debatte nicht entziehen. "Natürlich schwappt das auch ins Land über", sagte Renzsch. Die Arbeit der Linken-Bundeschefs bewertete er äußerst kritisch. Den auch wegen seines Lebensstils parteiintern kritisierten Klaus Ernst bezeichnete der Politologe als "wildgewordenen Salonbolschewisten" und "populistisches Großmaul". Gesine Lötzsch habe sich als "Neokommunistin geoutet". Beides schade der Partei, so Renzsch.

Der Landesverband sei "in einigen Teilen sehr realistisch orientiert", sagte der Politikwissenschaftler. Allerdings seien in der Landespartei noch etliche mit der alten SED verwurzelt, meinte er. Mit Blick auf Linke-Spitzenkandidat Gallert sagte Renzsch: "Ich habe Zweifel, ob er wirklich im vereinten Deutschland angekommen ist." Der gemeinsame Nenner der Landespartei sei es, "die politischen Verhältnisse zu destabilisieren".

In einer Umfrage des Forsa-Instituts hat die Linke bundesweit jetzt zwei Prozentpunkte gegenüber der Vorwoche verloren. Forsa-Chef Manfred Güllner führte den Abstieg auf neun Prozent auch auf die Kommunismus-Debatte zurück. "Kommunismus" sei in Ost- und Westdeutschland nach wie vor ein Reizwort, sagte er.