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SPD-Politiker Andreas Steppuhn überrascht das Parlament mit seiner neuen Sicht der Dinge Debatte ums Vergabegesetz: Verrenkungen eines politischen Schlangenmenschen

Von Michael Bock 17.12.2011, 05:25

Der Landtag hat gestern über den Entwurf für ein Vergabegesetz debattiert. Die Oppositionsfraktionen kritisierten das Kompromisspapier von CDU und SPD.

Magdeburg l Als Schlangenmensch gilt ein Akrobat, der seinen Körper extrem biegen kann. Auch im Landtag sind zuweilen ganz erstaunliche Verrenkungen zu bestaunen. Der SPD-Politiker Andreas Steppuhn ließ bemerkenswerte Qualitäten als politischer Schlangenmensch erkennen. In der Diskussion um ein Vergabegesetz (dieses soll Lohndumping verhindern) drehte und wandt er sich so schnell, dass einem schier schwindelig wurde.

Zur Vorgeschichte: Es ist nicht allzu lange her, dass Steppuhn die CDU mit einem Entwurf zum geplanten Vergabegesetz bis aufs Blut reizte. Vor allem die Tatsache, dass in dem Papier plötzlich ein Mindeststundenlohn von 8,50 Euro auftauchte, brachte die Union in Rage. Es kriselte mächtig zwischen CDU und SPD. Bei einem Landesparteitag drohte SPD-Chefin Katrin Budde sogar mit einem Bruch der Koalition. Die Parteispitzen waren nach diesem Paukenschlag bemüht, die ganze Sache nicht weiter hochkochen zu lassen. Fix wurde ein Kompromiss gezimmert.

Ergebnis: Der Gesetzentwurf wird früher als im Koalitionsvertrag vorgesehen in den Landtag eingebracht - das hatte die SPD gefordert. Dafür mussten die Sozialdemokraten große inhaltliche Abstriche machen. Jetzt ist der Mindestlohn vom Tisch, soziale und ökologische Standards können verlangt werden. Der SPD-Entwurf hatte ein "Muss" vorgesehen. Kurzum: Das Papier ist nun deutlich unternehmerfreundlicher. Steppuhn war in der (Koalitions-)Waschmaschine weichgespült worden.

Nur: Die Wahrnehmung des Ex-Bundestagsabgeordneten ist offenbar eine völlig andere. Es sei ein "guter Gesetzentwurf" entstanden, der sich im Ländervergleich sehen lassen könne, jubelte er. Den Linken, die auf einen Mindestlohn im Vergabegesetz pochen, erklärte er wortreich, warum der Mindestlohn eben nicht in ein Vergabegesetz gehöre. Seine für viele verblüffende neue Argumentationslinie unterschied sich kaum noch von der, die auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) vertritt.

Insofern erstaunte es nicht, dass CDU-Wirtschaftspolitiker Ulrich Thomas säuselte, er sei Steppuhn "außerordentlich dankbar". Solche Worte wären ihm noch vor kurzem nicht mal ansatzweise über die Lippen gekommen. Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs habe es zwar eine "gewisse Eile und Hektik" gegeben, aber das Ergebnis könne sich sehen lassen, betonte Thomas. Der Entwurf sei schlank, unbürokratisch, praktikabel und somit mittelstandsfreundlich: "Unternehmen werden nicht über Gebühr belastet."

Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff (CDU) sagte, das neue Gesetz solle für mehr Transparenz und Qualität stehen. Sie warnte davor, Unternehmen Hindernisse in den Weg zu legen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen könnten. Und weiter: "Tarifbindung ist Sache der Tarifparteien. Deshalb werden wir über das Vergabegesetz keinen gesetzlichen Mindestlohn durch die Hintertür einführen."

Linke und Bündnisgrüne halten an der Mindestlohn-Forderung fest. Frank Thiel (Linke) sagte: "Vor allem für die CDU in Sachsen-Anhalt ist der gesetzliche Mindestlohn Teufelswerk. Dass man da der eigenen Partei hinterherhinkt, ist nur ein weiteres Zeichen für Provinzialität und falsch verstandenen Konservatismus." Die SPD knicke letztlich ein, fügte er hinzu.

In den nächsten Monaten werden Kammern und Verbände angehört. Das Gesetz soll vor der parlamentarischen Sommerpause 2012 beschlossen werden. Seite 5