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Im Salzlandkreis sind gleich an mehreren Stellen wichtige Verbindungen nicht mehr passierbar. Von René Kiel und Nora Menzel Altbergbau: Straßen löchrig wie Schweizer Käse

27.07.2012, 03:14

Der im Salzlandkreis einst betriebene intensive Kali- und Braunkohlenbergbau bringt sich heute, etliche Jahrzehnte oder Jahrhunderte nach der Einstellung der Förderung, auf unangenehme Weise in Erinnerung.

Staßfurt/Hecklingen l So verschwand zum Beispiel in der Nacht zum 18. Juli 2009 infolge eines Erdrutsches die Kreisstraße von Frose nach Nachterstedt komplett in den Fluten des Concordiasees.

Einige Jahre zuvor verließen Experten, die zwischen Staßfurt und Rathmannsdorf eine alte Schachtröhre untersuchen wollten, das Gelände in Windeseile, nachdem sie feststellten, dass ein Einsturz nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Die an dem ehemaligen Schacht vorbeiführende Landesstraße 71 wurde daraufhin vorsorglich gesperrt. Sie erhielt daraufhin im Bereich der Gefährdungsstelle sicherheitshalber in ausreichendem Abstand eine neue Trasse.

Darauf müssen die Kraftfahrer, die auf der Landesstraße 50, der ehemaligen B 71, täglich von Bernburg in Richtung Peißen unterwegs sind, noch warten. Dort war es im März 2010 zu einem Erdfall auf einer angrenzenden ehemaligen Mülldeponie gekommen. Weil das Landesamt für Geologie und Bergwesen weitere Erdbewegungen in diesem Bereich nicht ausschließen konnte, veranlassten die Behörden die Sperrung der Landesstraße 50 zwischen dem Ortsausgang Bernburg und dem Abzweig Friedenshall.

"Eine Freigabe der Straße wird aufgrund der bestehenden Situation voraussichtlich nicht wieder erfolgen", teilte der Pressereferent des Verkehrsministeriums, Peter Mennicke, der Volksstimme mit. Durch die Landesstraßenbaubehörde erfolge derzeit eine Untersuchung der möglichen Varianten. Mennicke: "Dabei wird geprüft, ob der Neubau einer Straße oder der Ausbau vorhandener Straßen und eine Umstufung zur Landesstraße in der Folge fachtechnisch möglich und wirtschaftlich realisierbar ist."

Seit knapp eineinhalb Jahren müssen auch die Autofahrer auf der Kreisstraße 1306 kurz vor der Ortslage Groß Börnecke (Stadt Hecklingen) auf die Eisen gehen. Denn von Januar 2011 an gilt auf der viel befahrenen Straße nur noch Tempo 30. "Anderenfalls hebt man dort ab", sagte Ortsbürgermeister Dieter Engelhardt. Was der Groß Börnecker damit meint, ist vor allem aus der Gegenrichtung gut sichtbar. Auf einer Länge von zehn Metern rollt eine Dellen-Welle über den Asphalt. Mindestens einen Meter wiegt sie sich hinab. So tief hat sich die Straße abgesenkt.

Der Vorfall ereignete sich an einem Wochenende im Winter des letzten Jahres und sorgte damals für viel Aufsehen. Die Straße musste auch kurzzeitig gesperrt werden. Hinzu kam, dass zeitgleich auf dem angrenzenden Acker Löcher auftraten. An 27 Stellen tat sich der Boden auf. Bis zu 50 Zentimeter tief und maximal fünf Meter breit sollen die Erdlöcher groß gewesen sein. Heute ist von den Kratern im Boden zwar nichts mehr zu sehen. Die abgerutschte Straße daneben hingegen zwingt Verkehrsteilnehmer nach wie vor zur Vorsicht. Und daran wird sich aller Voraussicht nach so schnell auch nichts ändern. Schuld ist ein Gerangel der Zuständigkeiten.

Zunächst lag der Fall beim Landesamt für Geologie und Bergwesen in Halle (Saale). Die Experten gingen von Anfang an davon aus, dass die Gründe für die Senkungen im Altbergbau der Region zu finden sind. Denn im betroffenen Gebiet rund um Groß Börnecke soll Braunkohle Mitte des 19. Jahrhunderts im Tiefbau unter anderem in der Grube "Eduard" sehr oberflächennah abgebaut worden sein. Bereits in den 1980er Jahren seien seitens der Bergsicherung viele Hohlräume, die der jahrzehntelange Bergbau hinterlassen hat, mit Sand und Kies verfüllt worden, so die Behörde damals. Dem Landesamt ging es darum, abzuklären, ob weitere kleine Hohlräume im Boden noch existieren, die möglicherweise Mitschuld an der Senkung tragen, hieß es im Februar 2011.

Um das zu prüfen, wurden Bohrungen veranlasst, sogenannte Rammsondierungen. Stahlstangen wurden dafür bis zu acht Meter tief ins Erdreich gestoßen, um am Widerstand die Dichte des Bodens abzulesen und den Standort von Schächten zu ermitteln.

Die Vermutungen bestätigten sich. Nach den Erkundungsarbeiten stand fest, dass nicht verfüllte Stellen im Erdreich mit Schuld an den Senkungserscheinungen tragen. Das Bergamt ließ entsprechende Stellen mit einem speziellen Gemisch verfüllen und sieht den Fall damit für sich abgeschlossen, hat seine Erkenntnisse aber an den Landkreis weitergereicht, weil im Zuge der Analysen auch zu Tage kam, dass die Ursachen für die Absenkung der Straße nicht allein im Altbergbau begründet liegen. Der Pressesprecher des Landesamtes, Bodo-Carl Ehling, machte gegenüber der Volksstimme mehrfach deutlich, dass die Untersuchungen auch zu dem Schluss gekommen seien, dass bestimmte Dinge "außerhalb" aufgetreten sind, die möglicherweise im Baugrund der Straße zu finden sind. Diese zu erkunden, sei Sache des Straßenbaulastträgers, sagte der Pressesprecher.

Und das ist der Salzlandkreis. Dieser sieht sich aber nicht allein in der Verantwortung. Aktuell heißt es dort: "Die Zuständigkeit für eine generelle Lösung der Absenkung der K1306 ist nach wie vor zwischen dem Landkreis und dem Landesamt strittig."

Zudem wird darauf verwiesen, dass weitergehende Analysen nötig sind. Peter Zimmermann, Leiter der Abteilung Kreisstraßen beim Kreiswirtschaftsbetrieb, sagte im Volksstimme-Gespräch, dass eine nachhaltige Maßnahme die Abklärung des Untergrundes im Straßenbereich bis zirka 15 bis 20 Meter Tiefe voraussetzt. Dazu werde es aber in diesem Jahr nicht mehr kommen können, weil der Kreis 2012 dafür keine Mittel zur Verfügung stellen kann. Allerdings werde der betreffende Bereich von der Straßenunterhaltung verstärkt beobachtet.