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Arena in Oschersleben, Deutschlands einzige private permanente Rennstrecke, verweist auf solides Geschäft. Von Tom Koch Motorsport: Begeisterung hat in der Börde Tradition

12.09.2012, 03:15

Die Motorsportbegeisterung in der Börde hat Tradition. Davon profitiert die Arena in Oschersleben, die - im Gegensatz zu anderen deutschen Rennstrecken - schwarze Zahlen schreibt und konstant 500 000 Besucher Jahr für Jahr anlockt.

Oschersleben l Es läuft rund in der Börde. Knapp 100000Motorsportfans werden am Wochenende in Oschersleben erwartet. Deutlich mehr als vor einem Jahr. Sie strömen an den 3,7Kilometer langen Rundkurs, um die Rennen in der DTM zu verfolgen. Diese Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft ist einer der Publikumsmagneten im Automobil-Motorsport.

Ob die DTM für die Börde auch wirtschaftlich ein gutes Geschäft ist? Thomas Voss bekennt: "Eher weniger." Und dennoch freut sich der Geschäftsführer der MotorsportArena vor den Toren Oscherslebens auf die Rennen am Wochenende, auf das Dröhnen der Motoren, die Spannung auf dem Kurs und die Begeisterung der Zuschauer. Seit Jahren lockt die permanente Rennstrecke konstant rund 500000zahlende Besucher.

Der der Papenburger Firma Bunte Bau gehörende Kurs erwirtschaftet einen Jahresumsatz von zuletzt acht Millionen Euro, in Oschersleben schreibt man solide schwarze Zahlen. Im kommenden Jahr, so heißt es, werden alle Kredite aus der Anfangszeit abgelöst sein. Mehr als zehn Jahre ist es inzwischen her, dass der Motopark als Vorgängergesellschaft seine Zahlungsunfähigkeit bekannt geben musste.

Die hohen Kreditkosten waren es, erinnert sich Voss, die nicht mehr zu stemmen gewesen seien. Fast 60Millionen D-Mark hatte Ende der 1990er Jahre der Bau der Strecke gekostet. Davon waren allein die Hälfte Fördermittel vom Land. Nach der Insolvenz musste es noch einmal 13 Millionen Euro nachschießen, um die Rennstrecke zu retten.

Dies war eine Voraussetzung dafür, dass es gelang, letztlich wieder einen wirtschaftlich erfolgreichen Kurs einzuschlagen. Noch während des Insolvenzverfahrens haben die Oscherslebener 150000Euro in eine weitere Zuschauerbrücke investieren können.

Es klingt schon Stolz mit, wenn der 47-jährige Diplom-Sportlehrer sagt: "Wir sind heute die einzige deutsche Rennstrecke im privaten Besitz." Ob Nürburgring oder in Hockenheim, überall dort sei die öffentliche Hand an den Kursen beteiligt, müsse notfalls mit Steuergeldern aushelfen.

Zurück in die Börde: Subventionsgelder fließen nicht nach Oschersleben, beteuert der Geschäftsführer. Dass Motorsport auch und zu wesentlichen Teilen ein Geschäft ist, mag Voss gar nicht verhehlen: "Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen in der Freizeitindustrie." An 280Tagen im Jahr gibt es auf dem rund 100Hektar großen Areal Veranstaltungen: Testfahrten, Wettkämpfe in einer Vielzahl internationaler Motorrad- und Automobilserien, Fahrsicherheitstrainings, Möglichkeiten, Kart-Strecke und Offroad-Parcours zu nutzen, Jedermann-Rennen zu fahren.

Ein solches Jedermann-Rennen findet gerade beim Volksstimme-Besuch statt. An die 150Motorradfahrer drehen Runde um Runde. Voss: "Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Motorsport mit dem großen Verschleiß von Reifen und Fahrwerksmaterial, mit hohen Benzinverbräuchen stellen wir nicht."

Für den Geschäftsführer bedeutet ein solches Angebot an Zweiradfahrer "einen Gewinn an Sicherheit im Straßenverkehr". Neben dem Trainingseffekt für die Biker finden diese einen Kurs ohne Gegenverkehr und vierrädrige Verkehrsteilnehmer vor.

Hinzu komme ein medizinisches Angebot in der Arena, das keine öffentliche Straße bieten könne: Der Rundkurs ist von 19Kamerastandpunkten aus einsehbar. Wenn nötig, sei binnen 90Sekunden die erste medizinische Hilfe am Unfallort. Selbst einen Operationssaal können die Oscherslebener vorweisen. Allerdings, auch das gehört zur Geschichte von 15Jahren Motorsport: Sechs Motorradfahrer sind bisher auf der Strecke tödlich verunglückt.

Zunehmend versucht die MotorsportArena mit Veranstaltungen außerhalb ihres Kerngeschäfts Publikum zu locken. Obwohl sich die Oscherslebener nicht mit der Marke "Rock am Ring" messen können, verweist Voss auf gut besuchte Konzerte unter dem Motto "Rock the Race" von Künstlern wie Fanta4 oder Grönemeyer. Eine Gewerbemesse wurde genauso bereits ausgerichtet wie eine Nutzfahrzeugschau. Dennoch betont Voss, der seit 2008 die alleinige Geschäftsführung inne hat: "Motorsport bleibt unsere Nummer1!" Inzwischen beschäftigt die Arena 100festangestellte Mitarbeiter. An besonderen Renntagen wie der DTM schnellt die Zahl der Beschäftigten sogar auf 400hoch.

Obwohl der Kurs Formel-1-tauglich ist, eine solche Serie brächte zwar Prestige, wäre jedoch ein finanzielles Verlustgeschäft, schätzt der Manager ein. Ebenso offen berichtet er, dass die deutschen Rennstrecken untereinander zwar um Rennserien konkurrieren, jedoch bei gemeinsamen Themen wie Versicherungsschutz die Zusammenarbeit prüfen.

Kennt der Chef der Rennstrecke gar keine Probleme? Gibt es am Motorsportangebot auf bestem Bördeboden keine Kritiker? Doch, bekennt Voss, viele Jahre war der Motorenlärm das Thema in Oschersleben. Deswegen wurde einst auch eine Bürgerinitiative gegründet. Inzwischen gibt es drei Messpunkte, ständige Kontrollen durch die Behörden - ohne Verstöße - und Zugeständnisse durch die Arena selbst. 24-Stunden-Rennen der Motorradfahrer werden nicht mehr veranstaltet, die Ausnahmeregelung von bis zu zehn Tagen im Jahr, an denen es lauter als sonst erlaubt zugehen darf, wird nicht ausgeschöpft.

Mit Blick in die Zukunft wünscht er sich, dass die MotorsportArena von der Landesregierung auch als Tourismusanbieter stärker wahrgenommen werde. Voss: "Wir haben 500000Gäste im Jahr, wer im Land kann ein vergleichbares Potenzial vorweisen?" Auf Volksstimme-Nachfrage heißt es in der von Wirtschaftsministerium und Innovations- und Marketinggesellschaft (IMG) abgestimmten Reaktion, die Arena sei "ein verlässlicher Partner" der IMG, diese biete mit ihrem Tourismusportal den Oscherslebenern ein zusätzliches Angebot biete. Zudem wurde angekündigt, die Motorsportarena in diesem Herbst als Veranstaltungsort für den Logistik-Branchendialog nutzen zu wollen.

Die Einschätzung des ADAC fällt deutlich emotionaler aus: "Die MotorsportArena ist für uns von unschätzbarem Wert." Wie Hans-Henry Wieczorek als Geschäftsführer des Regionalverbandes Niedersachsen/Sachsen-Anhalt begründet, nutzen eine Reihe von Regionalclubs den Parcours für ihre Motorsportveranstaltungen.

Er lobt die engagierte und professionelle Betreuung auf der relativ kleinen Anlage. Das unterscheide die Arena von anderen Rennkursen, mit dem Vorteil, dass es kurze Wege und flache Hierarchien gibt. Negativ im deutschlandweiten Vergleich sei die schwache Infrastruktur in der Region mit zu wenigen qualitativ guten Übernachtungsangeboten, auch bei Anfahrtswegen nach Oschersleben gebe es Defizite.

Voll des Lobes über die Arena ist Dieter Klenke. Oscherslebens parteiloser Bürgermeister verweist auf die internationale Werbung für die Stadt. Auch wirtschaftlich profitiere man vom Motorsportangebot: Einzelhändler und Gastronomen etwa seien Nutznießer des Besucherstromes. Klenke erinnert daran, dass Motorsport in der Börde auf eine Tradition verweisen kann.

Noch zu DDR-Zeiten habe die Auto-Motocross-Strecke im Norden Oscherslebens bis zu 20000Besucher pro Veranstaltung gezogen. Noch im Wendejahr 1989 habe es die ersten Kontakte zu Motorsportverantwortlichen in Niedersachsen gegeben. Schnell war die (gemeinsame) Idee zum Streckenneubau in der Börde geboren. Rennserien wie die DTM finden in Oschersleben seither auf einer dafür gebauten Strecke statt. Die Zeiten, dass in Niedersachsen Fliegerhorste der Bundeswehr genutzt werden mussten, so Klenke, sind lange vorbei.