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Vor zwei Wochen offizieller Start des UKW-Nachfolgers mit starkem Sendesignal im nördlichen Sachsen-Anhalt. Von Oliver Schlicht Digitalradio: In Magdeburg löchrig, in Burg perfekt

14.09.2012, 03:18

Seit kurzem wird das neue Digitalradio auch im Norden von Sachsen-Anhalt mit einem starken Signal abgestrahlt. Die Volksstimme wollte wissen, wie gut der Empfang wirklich ist und kam beim Testhören zu überraschenden Ergebnissen.

Magdeburg l Streng genommen ist Digitalradio in Sachsen-Anhalt ein alter Hut. Denn schon seit über zehn Jahren werden öffentlich-rechtliche und private Stationen landesweit in einem Langzeittest auch digital terrestrisch (durch die Luft) verbreitet. Nur hat davon kaum jemand etwas mitbekommen. Die zum Empfang notwendigen Digitalradios waren früher teuer, das Signal der Testabstrahlung war mit nur einem Kilowatt (kW) Leistung pro Sendeturm in der Regel zu gering, um auch in Gebäuden empfangen werden zu können.

Doch im vergangenen Jahr ist das "Digital Audio Broadcasting" (DAB) - so sein sperriger Name - bundesweit einen großen Schritt vorangekommen. Nach Jahren Gezerre um die Finanzierung der völlig neuartigen Sendeinfrastruktur zwischen allen Beteiligten startete im August 2011 das Digitalradio im gesamten Bundesgebiet endlich richtig durch: 27 Sendetürme begannen mit der Übertragung von regionalen und bundesweiten Programmen. Dieses digitale Radionetz soll nach und nach ausgebaut werden.

In Zukunft nur noch Radios, die UKW und DAB empfangen

Der Handel zog auch mit. Inzwischen gibt es Digitalradios weit unter 100 Euro. Branchenkenner rechnen damit, dass neue Radiogeräte zukünftig beide Übertragungswege empfangen können: das alte, analoge UKW und das DAB-Digitalradio. Denn auch in vielen anderen Ländern Europas werden derzeit Digitalradio-Netze aufgebaut.

In der Regel sind mit einem Digitalradio zwischen 20 und 25 Sender zu empfangen, aber auch moderne Datendienste zum Beispiel zur Verkehrsinformation. Neu im Radio ist etwas, was der Fernsehzuschauer schon seit den 1980er Jahren gewöhnt ist: Privatsender mit bundesweiter Sendelizenz.

So kann man zum Beispiel beim Fußballsender "Elf 90" auf fünf Frequenzen Bundesligaspiele live verfolgen - mit Werbeunterbrechungen, versteht sich. Neu ist auch die Sendestärke von jeweils zehn Kilowatt pro Sendeturm - also zehnmal stärker als bislang. Das sollte in einem Umkreis von 50 Kilometer - abhängig von Gebäuden und den topografischen Geländeeigenschaften - auch in Häusern einen problemlosen Empfang ermöglichen.

Im Herbst 2011 war der Funkturm Petersberg bei Halle die erste Sendeanlage in Sachsen-Anhalt mit zehn Kilowatt Sendeleistung. Vor etwa zwei Wochen folgte die offizielle Inbetriebnahme eines zweiten starken Senders auf dem Kapaunberg, unweit der A 2, etwa fünf Kilometer südlich von Burg. Die "alten" Ein-Kilowatt-Sender wurden in der Regel abgeschaltet. Weiter in Betrieb ist aber noch ein Digitalradiosender auf dem Brocken - aber aus Kostengründen weiterhin nur mit einem Megawatt Sendeleistung.

Bislang sind die beteiligten Rundfunkveranstalter nur sehr eingeschränkt bereit, viel Geld an den Netzbetreiber Media Broadcast - eine privatisierte Telekom-Tochter - für eine Sendeinfrastruktur zu bezahlen, in der kaum Radiohörer - also Werbekunden - unterwegs sind. "Das Geld wird auf UKW verdient", bringt es der Vertreter eines großen privaten Radiosenders aus Sachsen-Anhalt auf den Punkt.

Schritt für Schritt soll der Wechsel von der analogen UKW-Welt in das digitale Zeitalter über mehrere Jahre erfolgen. Ein möglicher UKW-Abschalttermin, der zur Jahrtausendwende einmal für das Jahr 2015 angedacht war, ist lange vom Tisch.

Der Sender Kapaunberg soll den Großraum Magdeburg, vor allem aber die Autofahrer auf der A 2 versorgen. Denn dem Digitalradio-Netzbetreiber ist vor allem an einer durchgehenden Signalbereitstellung auf den wichtigsten Autobahnen Deutschlands gelegen. Der Grund: Nur mit einem digitalen Autobahn-Radio sind Partner aus der Autoindustrie für das neue Medium und seinen Datenübertragungsmöglichkeiten zu begeistern.

Autobahnversorgung wichtig für die Autoindustrie

Das Stadtgebiet Magdeburg wäre zweifelsohne vom neuen DVB-T-Funkturm im Norden der Stadt besser zu versorgen gewesen. Dies sei - bestätigt ein Media-Broadcast-Mitarbeiter vertraulich - aber aus besagten Gründen vom Netzbetreiber verworfen worden. Der Sendeturm Kapaunberg steht etwa zwölf Kilometer nordöstlich vom Magdeburger DVB-T-Turm, also gut 20 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.

Mit Folgen, wie ein Volksstimme-Test der Empfangsmöglichkeiten des Digitalradios im Norden Sachsen-Anhalts mit einem handelsüblichen Digitalradio offenbarte. Am Magdeburger Hasselbachplatz stören die hohen Häuser das Signal selbst außerhalb von Gebäuden. In Häusern geht dort gar nichts. Dies gilt auch teilweise für südliche Stadtteile der Landeshauptstadt. Auch hier ist der Empfang in Gebäuden nur sehr eingeschränkt möglich.

Der Sendestandort Kapaunberg bringt aber auch Gewinner hervor. So wird erwartungsgemäß die Stadt Burg ausgezeichnet versorgt. Weil sich das Signal über die flache Landschaft ungehindert ausbreiten kann, haben Digitalradiohörer in Jerichow, Haldensleben und selbst in Staßfurt einen guten Empfang, sogar in Gebäuden. Allerdings zeigt sich hier: Um so weiter der Sendeturm weg ist, um so stärker ist der Abfall der Empfangsleistung draußen gegenüber dem Hausempfang. Ein starkes Außensignal in Staßfurt kann in der Küche schnell "absaufen".

In oberen Etagen ist der Empfang zumeist besser. Im Volksstimme-Test wurde das Radio in Gebäuden ausschließlich unter schlechtesten Empfangsbedingungen getestet: im Erdgeschoss, tief im Gebäudeinneren.

In Gardelegen ist der Empfang vom Kapaunberg zwar schlecht, doch das niedersächsische Signal vom Sendeturm Drachenberg bei Braunschweig kommt hier besonders stark an. Vom Sender Drachenberg profitieren auch die Haldensleber. Wer dort im Garten Digitalradio hört, empfängt neben den 23 Programmen vom Kapaunberg unter anderem noch acht digitale NDR-Sender. Auch im Norden von Magdeburg kommt das NDR-Signal gut an.

Bleibt am Ende die Frage: Wann werden die Empfangslücken im Digitalradio in Sachsen-Anhalt geschlossen? Kann die Stadt Magdeburg absehbar mit einer besseren Versorgung rechnen? Wann folgt ein starker 10-kW-Sender auch in der Altmark? Wie geht es im Harz weiter?

Neue Sender im Norden Sachsen-Anhalts frühestens 2014

Laut bisheriger Planung des Lenkungsausschusses digitaler Rundfunk Mitteldeutschland, in dem Vertreter des MDR und der privaten Rundfunkveranstalter sitzen, ist frühestens 2014 mit der Inbetriebnahme weiterer Digitalradio-Senderanlagen im nördlichen Sachsen-Anhalt zu rechnen. "Dies betrifft vor allem einen 10-kW-Sender in der Altmark und eine bessere Versorgung der Harzregion", sagt Michael Richter, Geschäftsführer des Projektbüros Digitaler Rundfunk Mitteldeutschland. 2013 habe zunächst die Anbindung dicht besiedelter Gebiete Priorität. Richter: "Konkret ist eine bessere Versorgung der Regionen Lutherstadt Wittenberg und Dessau-Roßlau vorgesehen."

Da sich die digitalen Radiosignale im Gleichwellennetz ergänzen, werden diese neuen Sender die Versorgung im mittleren Sachsen-Anhalt auch in der Fläche verbessern. Dies gilt aber wohl kaum für Magdeburg.

Zur Versorgungssituation dort sagt Richter: "Ich gehe davon aus, dass der MDR mit Messwagen in den nächsten Wochen kontrollieren wird, ob die zuvor erstellte Empfangsprognose mit der Realität übereinstimmt." Bisher sei davon ausgegangen worden, dass bis auf einen kleinen Teil im westlichen Stadtgebiet (Sudenburg) die Versorgung der Landeshauptstadt auch in Gebäuden problemlos funktioniert. "Wenn das nicht der Fall sein sollte, muss man schauen, ob eine technische Nachbesserung möglich ist", so Richter.

Ideal wäre aus seiner Sicht ein 10-kW-Sender in Schneidlingen (nordwestlich von Staßfurt). Ein Sender dort würde das südliche Stadtgebiet von Magdeburg, den Vorharz und die Börde versorgen. Doch ob und wann so eine Senderanlage kommt, ist ungewiss.Meinung