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Lübser Familie sucht Mittel gegen Gehirntumor des jüngsten Sohnes / Bevölkerung hilft Erik Eisenhuth will zurück ins Leben

06.12.2012, 09:33

Erik Eisenhuth aus Lübs leidet an einem Tumor an seinem Gehirnstamm. Nach einer ersten Operation kehrte der Tumor zurück. Die Ärzte in Deutschland geben ihm keine Chance mehr. Die Familie hofft, Erik in den USA operieren lassen zu können.

Lübs l Es ist ein Abend im Februar, als der neunjährige Erik in die Arme seiner Mutter sinkt. "Ihm war schlecht, wir waren auf dem Weg ins Bad, als er zusammenbrach", erzählt Ilona Eisenhuth. Die 46-jährige Lübserin hat Tränen in den Augen, wenn sie sich an diesen Moment erinnert. Er ändert alles.

Die herbeigerufene Notärztin diagnostiziert eine Gehirnblutung und lässt Erik sofort in die Uniklinik nach Magdeburg bringen. Dort bewahrheitete sich die Diagnose. Die Ärzte sagen, dass Erik die Nacht nicht überstehen wird.

Doch Erik schafft es. "Aber von einem Moment auf den anderen konnte er nichts mehr. Er konnte sich nicht bewegen, konnte weder sehen noch hören", erzählt seine Mutter.

Die Ärzte überrascht es, dass Erik noch lebt. Sie gehen davon aus, dass die Blutung von einem Tumor hervorgerufen wurde. Sie fassen den Entschluss, zu operieren. "Am Freitagabend geschah es, am Dienstag wurde operiert", erzählt Ilona Eisenhuth. Die Chirurgen entfernen das Blut und tragen ein zwei Zentimeter großes Stück vom Geschwür ab. Mehr sei nicht möglich gewesen, der bösartige Tumor sitzt an einer sehr kritischen Stelle am Gehirnstamm, erzählen sie den Eltern. An den Tagen danach wird der Rest des Geschwülstes bestrahlt.

Seine Mutter weicht ihm nicht von der Seite, auch Vater Frank verbringt die Nächte im Elternzimmer des Krankenhaues, fährt von dort aus zur Arbeit. Währenddessen kämpft Erik. "Wir mussten ihm alles wieder beibringen", sagt Mutti Ilona. Eriks Bruder Rene (22) erzählt, wie er mit Eiswürfeln über die Lider seines kleinen Bruders strich. "Das gibt Reize, auf einmal öffnete sich sein Auge wieder", berichtet Rene. Mit der Zunge funktioniert das auch. Stück für Stück helfen seine Familienmitglieder mit teils einfachen Mitteln. "Es besserte sich ziemlich schnell, das haben uns die Ärzte gesagt. Das hätten sie noch nie gesehen", erklärt Eriks Bruder.

Bestrahlung schlägt an

Die Bestrahlung hilft, der Tumor schrumpft. "Mit dem bloßen Auge sei er nicht mehr sichtbar, etliche abgestorbene Tumorzellen hatten die Ärzte gefunden, es ging bergauf", erzählt Ilona über die Tage im April. Im Mai beginnt Erik, Klassensprecher und begabter Zeichner, seine Rehabilitation im brandenburgischen Hohenkirchen. Dort bekommt er Chemotherapie. "Eine Spezialistin, die zwischenzeitlich zu Rate gezogen war, hatte auf seiner Akte vermerkt, dass er eine frühe Nachuntersuchung bekommen solle, nach etwa acht Wochen", sagt Ilona Eisenhuth. Doch der zuvor festgelegte Termin, der 19. November, bleibt bestehen. "Keiner wollte den Termin vorverlegen. Das reiche, hat man uns erzählt." Es waren insgesamt zwölf Wochen, die bis zur nächsten Untersuchung verstrichen. Das sei ein Fehler gewesen, sagt seine Mutter.

Am 19. November stellten die Ärzte fest, dass der Tumor auf eine Größe von vier Zentimetern angewachsen ist. "Die Ärzte meinten, dass da nun nichts mehr zu machen ist. Ich solle ihn nach Hause nehmen oder über ein Kinderhospiz nachdenken." Die dreifache Mutter kämpft gegen die Tränen. Vier Wochen eher hätten schließlich die Ärzte die Verschlechterung feststellen können. Viel Zeit für einen mittlerweile Zehnjährigen, dem die Ärzte nur noch Wochen geben.

Erik habe sich nach der Diagnose fast selbst aufgegeben, sagt seine Muter traurig. "Ihn plagte Heimweh, er wollte nach Hause. Daher brachen wir die Reha ab."

"Hier lag er tagelang nur im Bett und hat geweint", erzählt seine Schwester Doreen (25).

Die Eltern recherchierten währenddessen und stießen auf mögliche Behandlungsmethoden in den USA. Dort seien Viren gegen Tumore erfolgreich eingesetzt worden. Andere Operationsmöglichkeiten seien ebenfalls vielversprechend, auch in dem Stadium, in dem sich Erik nun befindet. "Aber wir haben kein Geld für den Transport. Wir stehen auch mit einigen Instituten in Kontakt, hier und in Übersee", erzählt Vater Frank. Dabei sei die Verständigung schwierig. "Wir sprechen kein Englisch", sagt er. Hilfe sei nötig.

Tochter Doreen gründet eine Facebook-Gruppe. Dort schildert sie das Schicksal und bittet um Spenden. "Das ist unglaublich", sagt sie. Zehntausend Mitglieder zählt die Gruppe innerhalb der ersten drei Tage, Tendenz stark steigend. "Es sind seit Mittwoch in der vergangenen Woche schon mehr als 4000 Euro zusammengekommen", fügt sie an. Eine Frau aus Tirol habe 400 Euro gespendet und geschrieben, dass sie dafür auf ihre Weihnachtsgeschenke verzichte. Mit Flyern macht die Familie auch in der Region auf sich aufmerksam. Die Mitglieder des PSV Zerbst organisieren ein Benefiz-Fußball-Turnier (16. Dezember, 10 Uhr, Sporthalle Jannowitzbrücke Zerbst), der 1. FC Magdeburg steuert ein Trikot mit Unterschriften zum Versteigern bei, Einkaufszentren und Firmen in Zerbst und Dessau sammeln Spenden. "Wir sind absolut überwältigt von dem Rückhalt aus der Bevölkerung", sagt Frank Eisenhuth. Die Greenbiker aus Bernburg haben ein Konto eingerichtet, um das Geld für Erik einzusammeln, erklärte er weiter. "Sie können Spendenquittungen ausstellen, das ist der Vorteil. Sie haben schon vielen geholfen und uns auch ihre Hilfe angeboten", erzählt er.

Rene erzählt, wie die Geschichte seines Bruders auch in die Vereinigten Staaten getragen wurde. Dort absolviere eine Bekannte ihr Au-pair-Jahr. Der Au-pair-Vater, ein Rechtsanwalt, suche nun nach Ärzten. "Wir geben nicht auf. Wie könnten wir auch. Welche Eltern könnten das denn?", sagt Ilona Eisenhuth.

Schon jetzt zeigen die Aktionen Wirkung. "Wir zeigen Erik, was sich alles für ihn in Bewegung setzt", erzählt Schwester Doreen. "Er steht wieder auf, und er zeichnet wieder", sagt seine Mutter. Er hat wieder Hunger, Lust auf Pizza. "Seit zwei Tagen hat er nicht mehr geweint", fügt Doreen an. Und er ist dankbar. Zu seiner Mutter sagt der Junge: "Mutti, die sind alle so lieb."
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