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Spectaculum Magdeburgense Fünf Tage Mittelalter

Von Hans Geske * 18.06.2013, 11:44

Magdeburg. Tapfere Recken, holde Maiden und ein feuerspeiender Drache – das "Spectaculum Magdeburgense", das größte Mittelalterspektakel der Region, hat wieder einiges zu bieten. Vom 16. bis 20. Mai ereignet sich viel Sehenswertes in der Festung Mark. So verteidigt in einem Schauspiel der letzte Drache Fangdorn die Kräfte der Götter gegen machtbesessene Finsterlinge. Gaukler zeigen ihre Kunststücke und bringen ihre Späße zu Gehör, Spielleute erfreuen die Menge mit Dudelsack und Cister, einem mittelalterlichen Saiteninstrument, und natürlich gibt es jede Menge Marktstände, die Handwerkliches oder Sättigendes feilbieten.

"Das ist die Musik, die mir gefällt", freut sich Eva (20). "Dazu kann ich tanzen, dazu muss ich nicht in die Disco." So wie sie würden das hier wohl viele sehen. Wenn eine Band auf der Bühne steht, füllt sich der Vorplatz schlagartig mit Menschen. Es wird getanzt und gelacht, mitgeklatscht und gejubelt.
Das musikalische Angebot umfasst verschiedene Formationen von "Pampatut", die zu zweit mit Drehleier und Cister auf der Bühne stehen, bis hin zu Gruppen wie "Sagax Furor" oder "Cultus Ferox", die sich zu sechst oder zu siebt vor dem Publikum versammeln. Diverse mittelalterliche Instrumente sind hier zu hören und – ja, auch der eine oder andere E-Bass oder ein modernes Drumset schummeln sich irgendwo dazwischen, notdürftig verkleidet oder schamvoll versteckt. Nichtsdestotrotz kommt ein rundes Klangerlebnis dabei heraus, das mittelalterliches Feeling zulässt, ohne heutige Hörgewohnheiten zu beleidigen.
Kaum ist ein Event zu Ende, geht auch schon das nächste los. Die Band verlässt die Bühne, die Gaukler kommen. Vor der Bühne legen Arne Feuerschlund und Finn Flagranti eine beeindruckende Show hin. Mit größter Lockerheit präsentieren sie Jonglage- und Balancekunststücke mit Keulen, einem Diabolo, vier Meter langen mit Kuscheltieren geschmückten Stangen, zwei Messern und einem Apfel. Dabei vergessen sie nie, dem Publikum zwischendurch ihre Scherze zuzurufen – wenn nötig auch mit vollem Mund.
Allgemein herrscht eine sehr gelöste Atmosphäre. Das bunte Treiben zwischen den Buden vermittelt einen guten Eindruck davon, was früher das besondere am Markttag gewesen sein muss. Zunächst begeistern die vielen Stände, an denen es alles zu kaufen gibt, was sich irgendwie mit gängigen Vorstellungen von "Mittelalter" vereinbaren lässt. Lederwaren, hölzerne Gefäße und Getöpfertes werden hier angeboten. Musikinstrumente, Schreibfedern und selbstgemachte Notizbücher – allerdings mit kariertem, chlorfrei gebleichtem Papier darin. An einem Stand wird Seife verkauft, an einem anderen Marmeladen und andere Brotaufstriche. Manche Handwerker führen vor, wie sie die Gegenstände herstellen, die sie dann in ihrer Marktbude anbieten.
In der Mitte dieses ganzen Trubels stehen jedoch, wie könnte es anders sein, die Tavernen, eingerahmt von den Essensständen. Klugerweise haben die Veranstalter dafür Sorge getragen, dass das Schankgewerbe nicht weit von der Bühne angesiedelt ist. Überall wird Met getrunken und Backwerk verspeist.
Doch nicht nur die zahlreichen Buden, auch die Menschen hier sind einen längeren Blick wert. Die Schausteller und Budenbesitzer sind natürlich stilecht in mittelalterlich anmutende Gewänder gehüllt, aber auch viele Gäste tragen bunte Kostüme. Altmodische Kleider, Mäntel, Umhänge, Rüstungen, weite Hosen, die bei flüchtigem Hinsehen fast wie Röcke aussehen – alles, was dem durchschnittlichen Menschen im 21. Jahrhundert mittelalterlich vorkommt. Dann laufen aber auch Leute herum, die ganz normal gekleidet sind, normal für unsere Zeit. Sogar einige lustige Hybriden gibt es. So trägt ein Kind zwar einen langen Filzmantel – aber Schuhe, die bei jedem Schritt bunt aufleuchten.
Und noch etwas ist bemerkenswert an den Menschen hier. Alle vertragen sich. Man scheint sich einig zu sein, dass das gemeinsame Interesse am Mittelalter als Grund ausreicht, sich gegenseitig grundsätzlich als Kameraden anzusehen. "Irgendwie sind alle Menschen gleich gesinnt. Es sind alles Leute, wo du sagen kannst ,Hey, mein Freund\', auch wenn du den eigentlich gar nicht kennst", grinst Victor (18).
Langsam senkt sich die Dunkelheit über die Festungsanlage und die zahlreichen flackernden Lichter lassen die Ahnung aufkommen, dass nun die Zeit des Feuers gekommen ist. Den Flammenkünstlern von Caterva Luminis fehlt zwar die unbeschwerte Leichtigkeit der Gaukler, dafür setzen sie auf eine geheimnisvolle Atmosphäre. Tanzende Flammen in dunkler Nacht, dazu seltsam wilde, urtümliche Musik – die Wenigsten können sich dieser Faszination entziehen.
Das Bühnenprogramm endet nun – der Tag aber noch nicht. Bis tief in die Nacht hinein sitzen noch Menschengrüppchen zusammen, unterhalten sich über die Erlebnisse des Tages und trinken noch den einen oder anderen Becher Met, bevor sie sich langsam in alle Winde zerstreuen. Bis zum nächsten Tag. Oder bis zum nächsten Spectaculum.

*) Hans Geske studiert an der Hochschule Magdeburg-Stendal Journalistik/Medienmanagement