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Integration Ein großes Herz kämpft gegen Kleingeister

Die Volksstimme sucht den „Magdeburger des < Jahres“. Zu den Kandidaten gehört Juliana Luisa Gombe – als Beispiel für gelungene Integration.

Von Stefan Harter 04.12.2014, 02:14

Magdeburg l "Darf ich dich umarmen?", fragt Juliana am Ende des Interviews und es fasst ihr ganzes Wesen in einer Geste zusammen. Obwohl die gebürtige Angolanerin bereits mehr als den üblichen Teil an kleinen und großen Schicksalsschlägen ertragen hat, lässt sie sich nicht unterkriegen und steckt mit ihrer Herzenslust am Leben jeden an, der sie kennenlernt.
Seit 1997 lebt sie in Magdeburg. Mit ihrem damaligen Mann und der dreijährigen Tochter musste sie aus ihrer Heimat fliehen. Sie wurden erwischt, als sie mit Freunden eine Zeitung herausgaben, in der "die ganze Wahrheit" über Korruption und andere Ungerechtigkeiten stand, wie sie erzählt. Sie landeten zunächst in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt, bevor die Familie schließlich nach Magdeburg geschickt wurde.
Das Leben in der Gemeinschaftsunterkunft kennt sie somit aus erster Hand, weiß um die Ängste, Sorgen und Nöte, die Flüchtlingsfamilien dort plagen - auch die Ressentiments, die ihnen entgegenschlagen, mitunter sogar wortwörtlich. Denn vor vier Jahren wurde Juliana vor ihrer Haustür und im Beisein ihrer zwei kleinen Söhne von braunen Spinnern brutal verprügelt. Die Täter erhielten Bewährungsstrafen, sie zog in die Innenstadt und kann seitdem nicht mehr Gitarre spielen -sie hatten ihr bei dem Angriff die Finger gebrochen.
Trotz solcher Attacken ist sie ihrer zweiten Heimat treu geblieben und hilft hier, wo sie nur kann, damit das Zusammenleben zwischen den Kulturen besser klappt. In der Buckauer Gertraudenkirche bietet sie für Kinder aus der Asylunterkunft in der Grusonstraße das Projekt "Toll - Toleranz leben lernen" an, unternimmt mit ihnen Ausflüge, zeigt ihnen ihre neue Heimatstadt. In der Stadtbibliothek bietet sie mit einer Freundin Nachhilfe in Deutsch an. Mit ihren Trommelworkshops reißt sie jede Schulklasse mit.
"Es sind alles meine Kinder", sagt sie über die jungen Flüchtlinge und strahlt ihr einnehmendes Lächeln, die älteren Jugendlichen sind ihre Brüder und Schwestern. Sie hilft bei Behördengängen, geht mit ihnen zum Arzt, füllt Bewerbungsunterlagen aus. Sie ermahnt die Eltern: "Investiert in die Bildung eurer Kinder." Seit Juli macht sie dies erstmals in 17 Jahren nicht ehrenamtlich, sondern in einer Festanstellung beim Internationalen Bund (IB) in einem eigens für sie geschaffenen Projekt. Und ganz nebenbei schreibt sie ihre Masterarbeit in Bildungswissenschaft.
Trotz allem Erfolg lebt sie ständig in Sorge, doch wieder nach Angola zurückgeschickt zu werden, schließlich ist der Bürgerkrieg offiziell beendet. Ihr Aufenthaltstitel ist zeitlich begrenzt, aktuell bis 2017. Ist er abgelaufen, könnte die Ausländerbehörde einfach sagen: "Gehen Sie bitte wieder."
Doch wie wichtig ihre Arbeit hier ist, zeigt eine kleine Episode. Vor kurzem fragte eine Frau neben ihr in der Straßenbahn, ob sie Ebola habe. "Ja und ich stecke sie an", antwortete sie schlagfertig, die Frau stieg an der nächsten Haltestelle aus. "Oft sagen Blicke immer noch `Was willst du hier?`. Das tut mir in der Seele weh. Wie kann man jemand hassen, den man nicht kennt", fragt sie.