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Kandidat für den Magdeburger des Jahres: Reinhard Kuhne, GISE-Geschäftsführer / Die Wiedergeburt eines Kettendampfers Die Schöpfer der "Zeuner": "Waren wohl alle auch ein bisschen verrückt ..."

Von Karl-Heinz Kaiser 13.12.2010, 04:27

Die Volksstimme sucht mit ihren Lesern traditionell zum Jahresende den Magdeburger des Jahres. Zur Wahl stehen Elbestädter, die sich außerordentlich engagieren. Dazu gehört der 56-jährige Reinhard Kuhne, Geschäftsführer der Gesellschaft für Innovation, Sanierung und Entsorgung (GISE). Er und sein Team rekonstruierten den Kettenschleppdampfer "Gustav Zeuner".

Magdeburg. Jetzt, im Nachhinein, wo das Schiff im wahrsten Wortsinn im sicheren Hafen ist, da sage man sich schon mal im Rückblick: Wir waren wohl doch ein bisschen verrückt. Aber da schwinge nicht etwa Bedauern oder so mit, sagt lächelnd GISE-Chef Reinhard Kuhne.

Nein, nein, da sei tatsächlich mächtig Stolz dabei.

Denn die "Zeuner" steht wie eine Eins im Wissenschaftshafen. Im Oktober war der einzige erhaltene Elbe-Kettendampfer, 1:1 rekonstruiert, am ehemaligen Handelshafenbecken übergeben worden. Mit einem richtigen Kettenteil, mit dem Bellingrathschen Greifrad, mit dem Zeunerschen Turbinenpropeller, den Decksaufbauten und – der ganz große Stolz – mit zwei Dampfmaschinen aus der Zeit der Kettenschifffahrt. Aufgetrieben bei einem Museumsverein in Hanau.

Jetzt, so erzählt der 56-jährige Reinhard Kuhne, sind wir dabei, die museale Ausrichtung zu vollenden, einen alten Eisenbahnwaggon zu sanieren, der Ausgangspunkt für die geplanten Führungen durch Gerald Jonsohn und Guido Völker wird.

Außerdem gießen GISE-Mitarbeiter ein Fundament für jenes Teil des alten Schiffsrumpfes, das absolut nicht mehr wiederverwendbar war. Sozusagen ein Beweis dafür, was die über 380 Beteiligten – arbeitslose Ingenieure, Konstrukteure, Schlosser, Schweißer, Tischler – mit ihrem Wissen und ihrem Geschick hingezaubert hatten.

Das habe natürlich die gesamte Mannschaft vollbracht, stellt Kuhne sofort klar. Er meint sogar, sie hätte sich mit dem Kettendampfer ein Denkmal gesetzt, das die Urenkel noch bewundern werden. Immerhin ist es ein ganz besonderes Schiff – der letzte körperliche Zeuge eines technisch interessanten Zeitabschnitts der Flussschifffahrt. An einer 734 Kilometer langen Kette zwischen Melnik und Hamburg hatte sich die "Gustav Zeuner", Heimathafen Magdeburg, bis in die 1930er Jahre bergauf "gehangelt".

Kuhne nennt im Zusammenhang mit der Wiederauferstehung des Kettendampfers speziell auch Namen wie Harry Warzecha, Anett Schmidt, Joachim Schwelm, Jörg Wetzel, Gerhard Kaspersinski, Claus-Dieter Wagner, Lothar Kusig. Dabei ist niemand von allen Schiffsbauer, erinnert sich der promovierte (1990 in Freiberg) Metallurge.

Begonnen hatte das Abenteuer vor über 5 Jahren. Dr. Kuhne und Anett Schmidt, Verantwortliche für Projektentwicklung, hatten bei einem Arbeitsbesuch in Bremen mitbekommen, dass ein Verein einen Elbe-Zollkreuzer nachbaut. Das imponierte zwar, passe aber, nicht ins hiesige Geschichtsbild, meinte damals die Agentur für Arbeit Magdeburg.

Längere Zeit danach war es ein Zufall, dass Heimatgeschichtsinteressierte von dem vom legendären Fährmann Paul Michaelis geretteten Zeuner-Schiffsrumpf erfuhren. Gerd Groenewold von der ARGE Jobcenter und Norbert Langoff von der Agentur für Arbeit fingen irgendwann Feuer. Sie schlugen der GISE vor, das Schiff zu rekonstruieren. Und rannten dabei offene Türen ein.

Vor viereinhalb Jahren war dann Start mit der Bergung der Rostlaube. In 15 Segmente wurde der Schiffskörper zerschnitten, einzeln aufbereitet und später vor Ort zusammengesetzt. Das war schon kompliziert. Etliche Schwierigkeitsgrade mehr verlangte die komplette Konstruktion und die Innenausstattung ab. Die Uni half, die ARGE bewil-ligte aufeinander folgende Projekte, die Stadt unterstützte nach Kräften in Person des damaligen Wirtschaftsbeigeordneten Klaus Puchta, des Beigeordneten Dieter Scheidemann und Frank Fahlke.

Bei Reinhard Kuhne lief alles zusammen, und das beileibe nicht nur in der Dienstzeit. "Nein, wir haben uns einen Kopf gemacht weit über das Übliche hinaus", sagt er leicht untertreibend.

Selbst für den gestandenen Techniker und Wissenschaftler, der, in Bernburg geboren, 1972 bis 1976 an der damaligen TU studierte und danach im SKET "hängen blieb", war es eine völlig neue Herausforderung. Dabei hatte der Wahlmagdeburger (verheiratet, zwei Kinder) alle Höhen (und Tiefen) eines Arbeitslebens mitgemacht.

So hat er die erste Altauto-Recyclinganlage des SKET mit entwickelt, aufgebaut und die Geschäfte geleitet. Später wurde das Kombinat abgewickelt. Er war eine Zeit lang als Berater selbstständig. Eine Ausschreibung führte ihn im Januar 2000 an die Spitze der GISE.

Viereinhalb Jahre dauerte es, bis die "Zeuner" präsentiert werden konnte. Hand- und Maßarbeit erster Güte. Das konstatierte auch der einzige Schiffsbauer im Team, Henning Wahlers. Den pensionierten Fachmann hatte sich Kuhne für ein Jahr aus Bremerhaven geholt.

Das Schiff ist derzeit nur von außen zu bewundern. Im Mai wird es als Museum geöffnet. Den 380 Mitarbeitern bedeutete die Rekonstruktion der über 55 Meter langen und fast 8,50 Meter breiten Gustav Zeuner (Baujahr 1894) sinnvolle Tätigkeit, Broterwerb. Sie haben gezeigt, was für ein großes Potenzial durch Arbeitslosigkeit brachliegt. Und was ältere und deshalb von Arbeitgebern oft verschmähte Fachkräfte zustande bekommen.

"Für mich ist eines der wichtigsten Ergebnisse bei der Rekonstruktion der Gustav Zeuner, dass 50 Leute wieder einen Job auf dem 1. Arbeitsmarkt erhalten haben. Und dass wir beigetragen haben, ein Stück Magdeburg-Geschichte erlebbar zu machen", sagte Reinhard Kuhne.