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Verteidiger Johann Schwenn startet mit Rundumschlag Nach Anwaltswechsel neuer Ton im Kachelmann-Prozess

Von Jochen Neumeyer 02.12.2010, 04:15

Bei seinem ersten Auftritt im Kachelmann-Prozess bringt Staranwalt Johann Schwenn einen neuen Ton ins Verfahren – und legt sich auf elegante Art und Weise mit allen Beteiligten an.

Mannheim (dpa). Hanseatisch-ruhig im Ton, aber schneidend scharf in der Sache – so präsentierte sich Jörg Kachelmanns neuer Verteidiger an seinem ersten Verhandlungstag vor dem Landgericht Mannheim. Mit einem rhetorisch geschliffenen Rundumschlag gegen Gericht, Staatsanwaltschaft und Medien startete der Hamburger Staranwalt Johann Schwenn gestern in das Verfahren gegen den TV-Wettermoderator, der sich Anfang der Woche überraschend von seinen bisherigen Verteidigern getrennt hatte. Kachelmann wird vorgeworfen, er habe eine langjährige Geliebte vergewaltigt.

Punkt neun Uhr erschien Schwenn im Gerichtssaal, in dem seit längerer Zeit zu Verhandlungsbeginn wieder Kameras zugelassen waren. Geübt hielt Schwenn den Blitzlichtern stand – ein Anwalt, der unter anderem schon Radrennfahrer Jan Ullrich und DDR-Topspion Markus Wolf vertreten hat, ist Aufmerksamkeit gewohnt.

Der 63-Jährige sieht aus wie die Idealbesetzung für einen amerikanischen Anwaltsfilm – schon äußerlich ist der elegante Hanseat ein Kontrast zu Kachelmanns bisherigem Anwalt, dem eher rustikal auftretenden Reinhard Birkenstock.

Und auch der Ton war neu: Eher leise, manchmal fast tastend schlich sich Schwenn in verschachtelten, doch meist druckreifen Formulierungen heran – um dann, ohne auch nur im Mindesten laut zu werden, gezielte Stiche zu setzen. "Mir erscheinen Sie", sagte Schwenn Richtung Staatsanwaltschaft, "als Verfahrensbeteiligte, um nicht zu sagen Partei, die gemeinsam mit dem Haus Burda anstrebt, Herrn Kachelmann fertigzumachen."

Die Bezeichnung als "Partei" – ein Affront gegen die Staatsanwaltschaft. Fast nebenbei landete Schwenn damit einen weiteren Schlag gegen die Medien, genauer: den Burda-Verlag und die Zeitschrift "Bunte", die wiederholt verschiedene Ex-Geliebte Kachelmanns in großen Geschichten präsentiert hatte. Der Burda-Verlag verteidigte sich: "Es besteht ein überragendes öffentliches Informationsinteresse, das gerade durch solche Interviews angemessen befriedigt wird. Auch Herr Kachelmann hat die Medienöffentlichkeit gesucht."

Vor allem kritisierte Schwenn die Vernehmung der zahlreichen Ex-Geliebten. Zwar zeigte er Verständnis, dass das Gericht versuche, sich ein Bild über die Persönlichkeit des Angeklagten zu machen. Dabei falle jedoch auf, "dass man sich auf Zeuginnen beschränkt, die als Sexualpartner des Angeklagten angesehen werden". Das Gericht glaube, so Schwenn, "mit juristisch anmutender Genauigkeit dem Sexualverhalten des Angeklagten nachgehen zu müssen". Bei Zeuginnen, die ihre Privatsphäre schützen wollten, sei dieses Frageverhalten "unappetitlich und abstoßend".

Am Ende schien es, als habe der neue Ton auch den Vorsitzenden Richter Michael Seidling beeindruckt. Man werde, erklärte er konziliant, den Appell zum Schutz der Persönlichkeit der Zeuginnen beherzigen.