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Humangenetiker warnt vor ethischen Problemen der neuen Methode Erbgut von Föten über Eltern-DNA entschlüsselt

07.06.2012, 03:22

Embryoen im Mutterleib auf mögliche Genschäden zu untersuchen, ist nicht ohne Risiko - Forscher haben offenbar einen neuen Weg gefunden.

Seattle/Washington (dpa) l Forscher haben das Genom eines ungeborenen Kindes allein mit DNA-Analysen mütterlichen Bluts und väterlichen Speichels entziffert. Sie werten dies als Schritt zu einem Test auf Tausende von Krankheiten, die durch Veränderung eines einzelnen Gens verursacht werden - ohne das Kind durch invasive Methoden wie eine Fruchtwasseruntersuchung im Mutterleib zu gefährden. Das Team von der Universität Washington in Seattle präsentiert die Ergebnisse im Fachjournal "Science Translational Medicine".

"Das ist ein Donnerschlag und ändert die Perspektive auf vorgeburtliche Untersuchungen fundamental", sagt Humangenetiker Prof. Wolfram Henn von der Universität des Saarlandes. Mehr als 3000 Störungen soll es geben, die auf der Veränderung eines Gens beruhen.

Die Wissenschaftler um Jay Shendure und Jacob Kitzman hatten einer werdenden Mutter um die 18./19. Schwangerschaftswoche herum eine Blutprobe und vom Vater eine Speichelprobe genommen. Sie fahndeten im mütterlichen Blut nach freien DNA-Stücken des Kindes. Schon lange ist bekannt, dass solche Erbgutschnipsel vor der Geburt im Körper der Mutter herumschwirren.

Auch andere Tests machen sich diese Tatsache zunutze, ein Screening auf Trisomie 21 soll auch in Deutschland auf den Markt kommen. Dabei wird überprüft, ob drei statt zwei Kopien des Chromosoms 21 vorliegen. Dies ist bisher per Zellentnahme aus dem Fruchtwasser durch die Bauchdecke der Schwangeren möglich - mit dem Risiko einer Fehlgeburt.

Shendure und Kitzman zogen nun mit Hilfe statistischer Methoden Rückschlüsse auf das gesamte Erbgut des Fötus und verglichen ihre Ergebnisse später mit dem Genom im Nabelschnurblut des Neugeborenen. Das Verfahren wiederholten sie bei einem weiteren Paar zu einem früheren Zeitpunkt der Schwangerschaft. So entdeckten sie 39 von 44 neu entstandenen Mutationen, als das Kind noch ein Fötus war.

"Die Veröffentlichung ist der Beweis, dass es prinzipiell technisch möglich ist, sämtliche genetische Informationen eines Menschen schon vor der Geburt zu ermitteln, ohne das Kind anzutasten", sagte Henn. "Und zwar inklusive verdeckter Anlagen, die erst in der übernächsten Generation zum potenziellen Auftreten von Erbkrankheiten führen können." Der Humangenetiker weiter: "Und dann stellt sich die Frage, die in die Politik hineinreichen wird: Wer darf zu welchem Zeitpunkt welche genetischen Informationen erhalten - nicht nur über Krankheitsanlagen, die schon in der Kindheit bedeutsam sind, sondern auch über erst spät auftretende Krankheiten wie erblichen Darmkrebs oder sogar Eigenschaften ohne Krankheitswert, zum Beispiel Sportlichkeit?"