Internetkriminalität Beratung gegen Hass im Netz: Mehr Arbeit zur Landtagswahl
Seit drei Monaten können sich Menschen, die Hass im Netz erfahren, in Thüringen an eine Beratungsstelle wenden. Die hat inzwischen gut zu tun - und erwartet vor allem mit Blick auf ein Ereignis im kommenden Jahr noch mehr Anfragen.
Erfurt - Beleidigungen, Morddrohungen, Shitstorms: Mit Blick auf die Landtagswahl geht die Thüringer Beratungsstelle gegen Hass im Netz von einem deutlich steigenden Beratungsbedarf aus. „Im Kontext der Landratswahl in Sonneberg haben wir schon mehrere Fälle gehabt, in denen sich Menschen massiv bedroht gefühlt haben oder angefeindet wurden, nachdem sie sich kritisch in den Medien geäußert haben“, sagte Laura Gdowzok von der seit Juni bestehenden Beratung „elly“ in Erfurt. Die Diskussionen rund um die Wahl des deutschlandweit ersten AfD-Landrats seien ein Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. „Wir gehen davon aus, dass das wesentlich mehr wird.“
Bisher knapp 100 Anfragen
Die aus Landesmitteln finanzierte Beratungsstelle bietet Betroffenen von politisch motivierten Angriffen im Netz seit Mitte Juni Unterstützung an. Seither seien fast 100 Anfragen eingegangen, sagte Gdowzok. Täglich kämen neue Meldungen rein, die sie gemeinsam mit einer Kollegin bearbeite. Manche Menschen wollten nur die Gewissheit, einen Angriff gegen sich irgendwo gemeldet zu haben, andere suchten einen Rat. In einigen Fällen gehe es aber auch um Anzeigen oder Schutzkonzepte, wenn sich die Menschen bedroht fühlten, sagte Gdowzok. „Wir hatten es relativ häufig, dass sich Menschen auch außerhalb des Internets bedroht gefühlt haben.“
Die Gruppe an Menschen, die sich an „elly“ wendeten, sei bunt gemischt. „Oft waren Menschen dabei, die beruflich oder ehrenamtlich sehr aktiv sind und wo dann Motive wie Rassismus, Queerfeindlichkeit oder Frauenfeindlichkeit zum Ausdruck kamen.“ Als queer bezeichnen sich Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren. Die Hassnachrichten seien sowohl über soziale Netzwerke als auch über Drohmails bei den Betroffenen eingegangen. Teils habe es auch Fälle gegeben, bei denen die Google-Bewertungen eines Geschäfts koordiniert nach unten gedrückt worden seien.
Betroffene wollen Ermächtigung zurückbekommen
Bei „elly“ gehe es darum, zu sensibilisieren, dass „Hate Speech“ (Hassrede) nicht normal sei und dass man sich wehren könne, sagte Gdowzok weiter. Inwiefern eine Anzeige wirklich Aussicht auf Erfolg habe, sei von Fall zu Fall unterschiedlich. Dazu gebe es auch Austausch mit Anwälten, um die Chancen realistisch einzuschätzen. Noch sei es aber bei keinem der Fälle zu mehr als zu einer Anzeige gekommen. „Das dauert einfach, bis etwas passiert.“ Einigen Menschen sei es aber auch vor allem wichtig, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und so etwas wie Ermächtigung zurückzubekommen.