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Innere Sicherheit Der einsame Extremist am Rechner besorgt Verfassungsschutz

Islamisten, Linksextreme, Rechtsextreme - der Verfassungsschutz in Bremen muss viele gefährliche Leute im Blick behalten. Mit dem Ukraine-Krieg kehrt noch ein anderer alter Gegner zurück.

Von dpa Aktualisiert: 13.04.2023, 14:59
Ulrich Mäurer (SPD, r), Innensenator von Bremen, und Dierk Schittkowski, Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz, sprechen.
Ulrich Mäurer (SPD, r), Innensenator von Bremen, und Dierk Schittkowski, Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz, sprechen. Sina Schuldt/dpa

Bremen - Die rasche Radikalisierung einzelner Personen im Internet stellt nach Einschätzung der Verfassungsschützer im Land Bremen eine besondere Gefahr dar. Das sagte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Donnerstag. „Die sich dort virulent verbreitenden Verschwörungstheorien tragen dazu bei, dass die Gefahr der Radikalisierung von einzelnen Personen und Kleingruppen wächst.“ Das Phänomen trifft ganz verschiedene Bereiche von Extremismus. Bei der Vorstellung des Verfassungsschutz-Berichts für 2022 wurden Beispiele aus dem Rechtsextremismus wie aus dem Islamismus genannt.

Mäurer verabschiedete bei dem Termin den bisherigen Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, Dierk Schittkowsky, der in Pension geht. Neuer Chef wird zum 1. Mai Thorge Koehler (35), der bislang das Referat Islamismus und Ausländerextremismus im Landesamt leitete.

Einsamer Dschihadist am Rechner in Bremerhaven

Als Beispiel für den Fall einer einsamen Radikalisierung im Netz nannte Koehler einen jungen Muslim aus Bremerhaven. Er habe zum Heiligen Krieg (Dschihad) aufgerufen und sich bereit erklärt, eine lokale Zelle der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) aufzubauen. Dabei habe er nicht die sonst üblichen Kontakte zu Moscheen gehabt. Es sei eine „enge Kiste“ gewesen, dem Mann rechtzeitig auf die Spur zu kommen, sagte Koehler. Der mittlerweile 18-Jährige steht in Hamburg vor Gericht.

Durch den Corona-Lockdown habe sich die Szene geändert, sagte Koehler. „Der Islamismus ist zurückgekommen in einer digitaleren und professionalisierten Form.“ Das Land Bremen sei ein Zentrum des Islamismus, sagte Mäurer.

Ermittlungsfortschritte nach Brandanschlag auf OHB?

Die schwerste mutmaßlich linksextremistische Tat in Bremen war ein Brandanschlag auf das Luft- und Raumfahrtunternehmen OHB in der Silvesternacht 2021/22. Dazu gab es in den Tagen danach ein Bekennerschreiben, die Polizei setzte eine Sonderkommission ein. Danach war zu dem Fall nichts mehr zu hören. Mäurer deutete aber an, dass die Ermittlungen weiter fortgeschritten sein als bekannt. „Wir wissen mehr, als wir erklären dürfen.“ Es gehe darum, gerichtsfeste Beweise zu bekommen. Das Potenzial gewaltbereiter Linksextremisten im Land Bremen schätzt der Verfassungsschutz weiter auf 240 Personen.

Bremer wollte Nazi-Stützpunkt in NRW aufbauen

Ein Rechtsextremist aus Bremen habe im Netz Anschlagsfantasien veröffentlicht und versucht, in Nordrhein-Westfalen einen Nazi-Stützpunkt aufzubauen, berichtete Schittkowsky. Im Januar 2023 sei die Wohnung des Mannes durchsucht worden. Dabei seien Messer, Waffenattrappen und Speichermedien sichergestellt worden.

Vom Rechtsextremismus gehe derzeit die größte Gefahr für die Demokratie in der Bundesrepublik aus, sagte Mäurer. Eine Sorge dabei sei die zunehmende Vernetzung zwischen Rechtsextremen, Querdenkern, sogenannten Reichsbürgern und „Deligitimierern“, die die aktuelle Staatsform beseitigen wollen. Die Reichsbürgerszene in Bremen schätzte der Verfassungsschutz 2022 auf 130 Personen (2021: 100 Personen). Die Mitglieder seien bundesweit eng vernetzt und hätten eine große Affinität zu Waffen, sagte Schittkowsky.

Mehr Spionage seit Russlands Krieg gegen die Ukraine

Mit dem Krieg gegen die Ukraine seit Februar 2022 sei die Gefahr von Spionage und Sabotage in Deutschland gewachsen, sagte Schittkowsky. Dies betreffe auch das Land Bremen, zum Beispiel wegen der US-Waffentransporte über Bremerhaven. „Was wir sehen ist, dass Strukturen, die wir im Kalten Krieg kannten, sich wieder herausbilden“, sagte er. Der Geheimschutz in Behörden, Unternehmen und in der kritischen Infrastruktur müsse nach Jahrzehnten der Entspannung verstärkt werden. Nicht nur Russland wolle Deutschland ausspionieren, sondern auch der Iran, China und die Türkei.