Ermittlungen Entsetzen in Großbritannien: Menschen in Zug niedergestochen
Nach einem folgenschweren Angriff in einem Zug steht Großbritannien unter Schock. Viele Fragen bleiben auch Stunden nach der Tat unbeantwortet - ein bekanntes Problem steht erneut im Fokus.

Huntingdon - Rucksäcke und Kleidung liegen an diesem Morgen verstreut auf dem Boden vor dem Bahnhof in der englischen Stadt Huntingdon. Forensiker untersuchen jedes noch so kleine Detail, umrandet von dem typisch blau-weißen Absperrband. Ein Zug, der am Sonntag auf den Gleisen des Bahnhofs stand, wurde nahe der kleinen Stadt in der Grafschaft Cambridgeshire erst am Abend zuvor Schauplatz einer verheerenden Attacke.
Mehrere Menschen wurden dort am Samstagabend in den Waggons nahe der Stadt attackiert und niedergestochen, mutmaßlich mit einem Messer. Vier der Verletzten konnten wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden, wie Superintendent John Loveless von der British Transport Police in einem Statement am Tag danach mitteilte. Zwei weitere befinden sich noch in einem lebensbedrohlichen Zustand.
Nach dem Angriff waren zehn Menschen mit Verletzungen in Krankenhäuser gebracht worden. Zunächst ging die Polizei davon aus, dass sich neun von ihnen in einem lebensbedrohlichen Zustand befänden, wie Loveless sagte. Insgesamt elf Menschen seien im Krankenhaus behandelt worden.
Einen terroristischen Hintergrund schlossen die Ermittler mit Stand Sonntagmittag aus. Um 19.42 Uhr am Samstag wurde die Polizei alarmiert - nur wenige Minuten soll es gedauert haben, bis zwei Männer wegen des Verdachts des versuchten Mordes festgenommen werden konnten. Die Tatverdächtigen im Alter von 32 und 35 seien in Großbritannien geboren und hätten einen Migrationshintergrund.
Doch wie kam es zu der Tat und welches Motiv steckt dahinter? Wichtige Fragen bleiben auch Stunden nach dem brutalen Angriff unbeantwortet.
Fahrgäste versteckten sich auf Toiletten
In Großbritannien herrscht indes Entsetzen. König Charles III. und Königin Camilla teilten mit, sie seien „zutiefst entsetzt und schockiert“. „Unser tiefstes Mitgefühl und unsere Gedanken gelten allen Betroffenen und ihren Angehörigen. Wir sind den Rettungskräften für ihren Einsatz bei diesem schrecklichen Vorfall besonders dankbar“, heißt es in einer Stellungnahme auf der Plattform X.
Der britische Premierminister Keir Starmer sprach bereits am Samstagabend von einem „schrecklichen Vorfall“, der „zutiefst beunruhigend“ sei. „Nach der schrecklichen Attacke von gestern Abend sind meine Gedanken heute bei den Opfern, ihren Freunden und Familien“, teilte auch Innenministerin Shabana Mahmood auf X mit.
Augenzeugen berichteten mehreren Medien zufolge von schockierenden Szenen in den Waggons des Zuges, der von Doncaster in die britische Hauptstadt unterwegs war. Fahrgäste hätten etwa einen Mann mit einem großen Messer gesehen. Viele seien panisch durch die Waggons gerannt und hätten sich auf den Toiletten versteckt, überall sei Blut gewesen.
Welche Tatwaffe verwendet wurde, ist bislang nicht offiziell bestätigt. Auch über das Motiv der mutmaßlichen Täter ist nichts bekannt. Noch in der Nacht stuft die British Transport Police die Tat jedoch als „schwerwiegenden Vorfall“ ein, die Anti-Terror-Polizei wird zu den Ermittlungen hinzugezogen.
Messerkriminalität seit Jahren Problem
Ob politisch motivierte Tat oder nicht: Der folgenschwere Vorfall lenkt den Fokus auch medial erneut auf ein Problem, mit dem Großbritannien seit Jahren zu kämpfen hat. Seit 2011 sei die Zahl der Straftaten in Zusammenhang mit Messern in England und Wales insgesamt gestiegen, berichtete etwa die BBC unter Berufung auf Statistiken der Regierung, auch wenn die Zahl im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen sei. 2024 wurden in den beiden Ländern demnach fast 50.000 Straftaten mit Messern registriert.
Premierminister Starmer bezeichnete die Messergewalt laut BBC bereits als nationale Krise. Im vergangenen Jahr wurden etwa Macheten und sogenannte „Zombie“-Messer verboten. Im Rahmen einer Aktion der Regierung wurden Zehntausende Messer abgegeben oder von der Polizei beschlagnahmt.
Erst vor einem Monat kam es am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur zu einem tödlichen Anschlag auf eine jüdische Gemeinde in Manchester, der von der Polizei getötete Angreifer stach auch hier auf Menschen ein. Bei dem Angriff auf die Synagoge waren zwei Mitglieder der Gemeinde getötet und weitere verletzt worden.