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"Fast ein Familienmitglied" Erstes Krematorium für Pferde eröffnet

Stirbt ein Pferd, wird es oft zu Knochenmehl vermahlen - kein schöner Gedanke für Tierfreunde. In Deutschlands erstem Krematorium für Pferde sollen Tierfreunde würdig Abschied nehmen können.

Von Wolfgang Jung, dpa 04.12.2017, 14:17
Eine Pferdefigur neben einer Urne für Tierbestattungen im bundesweit ersten Tier-Krematorium, das die Einäscherung von Pferden möglich macht. Foto: Sina Schuldt
Eine Pferdefigur neben einer Urne für Tierbestattungen im bundesweit ersten Tier-Krematorium, das die Einäscherung von Pferden möglich macht. Foto: Sina Schuldt dpa

Schwäbisch Hall (dpa) - Mit seiner modernen Holzverkleidung wirkt das Haus am Waldrand von Schwäbisch Hall eher wie eine Wellnessanlage. Doch bei dem Gebäude handelt es sich um ein Novum - die Einrichtung in Baden-Württemberg ist das bundesweit erste Krematorium zur Einäscherung von Pferden.

"Stirbt ein Mensch, existieren klare Rituale. Gemeinsame Trauer und Beisetzung erleichtern den Abschied. Für Pferde fehlte so etwas bisher", sagt die Unternehmerin Sandra Lutz. Sie betreibt seit 2003 ein Krematorium für gestorbene Menschen - und mit ihrem Mann Joachim nun die neue, rund 1000 Quadratmeter große Anlage für Pferde. "Die Beziehung zum Tier hat sich verändert. Niemand will, dass es nach dem Tod zu Knochenmehl vermahlen wird. Für viele sind Tiere fast ein Familienmitglied", sagt Sandra Lutz. "Tierbesitzer wünschen sich einen würdigen Abschied."

Dieser soll nun in Schwäbisch Hall möglich sein. Die Betreiber bieten eine individuelle Zeremonie mit Kerzen und Musik an. Von einem Abschiedsraum aus können die Besitzer durch ein Glasfenster auf die Ofenanlage schauen. Dort wird mit Flüssiggasverbrennung eine Temperatur zwischen 850 und 1100 Grad erreicht, erzählt Lutz.

Dem Bundesverband der Tierbestatter zufolge ist es die erste Anlage dieser Art in Deutschland. Bisher wurden tote Pferde oft zum Einäschern ins Ausland gebracht, etwa in die Niederlande. Im Juli 2016 änderte der Bundesrat das Gesetz über die Beseitigung tierischer Nebenprodukte, seit Februar ist die Novelle in Kraft. "Mit der Änderung kommen wir dem Wunsch vieler Pferdehalter nach", erklärt Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU).

Rund 2,5 Millionen Euro hat das Ehepaar Lutz nach eigenen Angaben investiert. So verlangt etwa das Emissionsschutzgesetz eine große Filteranlage. Das Einäschern eines Pferdes kann bis zu acht Stunden dauern. Daneben gibt es auch eine Brennkammer für kleinere Tiere.

Eine Feuerbestattung koste zwischen 1999 und 3500 Euro, sagt Lutz - plus Überführung. Das Ehepaar holt den Kadaver mit einem Spezialfahrzeug ab, schließlich lässt sich ein totes Pferd nicht im Kofferraum befördern. Anders als bei Menschen darf die Asche der Tiere mit nach Hause genommen werden.

Auf Norderney wurden bis in die 1970er Jahre hinein Pferde auf einem eigenen Friedhof begraben. Der "Peerkarkhoff" (Pferdefriedhof) entstand, weil es auf der Ostfriesischen Touristeninsel keine Abdeckerei gab. Das Areal wurde zwar mit Einführung des Tierkörperbeseitigungsgesetzes geschlossen, ist mittlerweile für die Bestattung von Kleintieren aber wieder geöffnet.

Der Bundesverband mit Sitz in Dortmund beobachtet nach eigenen Angaben einen steigenden Bedarf an Tierbestattungen in Deutschland. "Für viele war ein Tier ein enger Begleiter, den man nicht einfach so verscharren will", sagt der Vorsitzende Martin Struck. Er begrüßt die neue Anlage in Schwäbisch Hall. "Jetzt kann würdig Abschied genommen werden. Man will ja ein Pferd nicht irgendwo vergraben."

Struck erwartet als möglichen nächsten Schritt eine Diskussion darüber, ob Menschen künftig mit ihrem Tier bestattet werden dürfen. In Deutschland ist dies nicht so einfach möglich. Weil viele Menschen aber etwa in der Großstadt einsam seien, hätten sie den Wunsch, den letzten Weg mit ihren Tieren anzutreten, betonen Experten.

Ein historisches Beispiel dafür gibt es: Friedrich den Großen. Der preußische König liegt auf Schloss Sanssouci in Potsdam neben seinen Windhunden begraben. Der "Alte Fritz" hatte das in seinem Testament selbst so angeordnet.