1. Startseite
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Parteien: Expertin sieht Gefahren für Justiz durch Agieren der AfD

Parteien Expertin sieht Gefahren für Justiz durch Agieren der AfD

AfD-Politiker bezweifeln immer wieder die Unabhängigkeit des Landesverfassungsgerichts. Eine Juristin vom Verfassungsblog sieht darin eine Strategie - und warnt vor Einfluss der AfD auf die Justiz.

Von dpa 14.05.2025, 04:00
Die Thüringer AfD-Fraktion blockiert im Landtag seit Monaten die Besetzung von wichtigen Justiz-Gremien. (Symbolbild)
Die Thüringer AfD-Fraktion blockiert im Landtag seit Monaten die Besetzung von wichtigen Justiz-Gremien. (Symbolbild) Hannes P Albert/dpa

Erfurt - Die Juristin Anna-Mira Brandau vom Verfassungsblog warnt vor zu viel Einfluss der AfD in der Justiz. „Die Justiz hat eine größere Bedeutung für autoritäre Populisten, weil die Justiz in einer funktionierenden Demokratie ein Gegenspieler der Exekutive ist“, sagte Brandau der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. In Ländern, wo autoritäre Populisten schon erfolgreicher seien als in Deutschland, habe man sehen können, dass die Justiz zu ihren ersten Angriffspunkten gehört habe. 

Der Verfassungsblog ist ein Diskussionsforum, im Vorfeld der Thüringer Landtagswahl 2024 hatte das Projekt am Beispiel von Thüringen untersucht, welche Spielräume eine autoritär-populistische Partei auf Landesebene hätte, um ihre Macht zum Schaden der Demokratie einzusetzen.

Delegitimierung von Gerichten

„Wenn sie noch in der Opposition sind, verfolgen sie oft eine Delegitimierungsstrategie“, sagte Brandau. Den Gerichten werde etwa vorgeworfen, aus Eliten zu bestehen und dem Volk Entscheidungen aufdrücken zu wollen. Die Justiz sei nicht unabhängig, behaupteten autoritäre Populisten dann etwa. Sie entscheide nicht nach Recht und Gesetz, sondern der Macht nach. Diese Erzählungen würden später genutzt, um eine Justizreform voranzutreiben, so Brandau. Ein weiteres Mittel sei das Verhindern von Richterwahlen, um die Justiz zu blockieren. 

Beide Strategien seien bei der AfD in Thüringen erkennbar, der Umgang der AfD mit der Justiz in Thüringen sei wie aus einem Handbuch für autoritäre Populisten, sagte Brandau, die an der Universität Erfurt promoviert. „Was wir sehen in Thüringen, ist diese verbale Delegitimierung.“ Sie nannte die völlig entglittene konstituierende Landtagssitzung vergangenes Jahr als Beispiel.

AfD warf Verfassungsrichter Befangenheit vor 

Nach der Thüringer Landtagswahl im Herbst geriet die erste Sitzung des neuen Parlaments zum Polit-Debakel - unter der Leitung des Alterspräsidenten von der AfD, Jürgen Treutler. Der 73-Jährige hatte im ersten Teil der Sitzung Abgeordneten das Wort entzogen, Abstimmungen nicht zugelassen und eine von vielen Abgeordneten als parteiisch kritisierte Rede gehalten. Das Spektakel landete vor dem Verfassungsgerichtshof, der dem Agieren von Treutler ein Stopp-Schild zeigte. 

AfD-Politiker wie Björn Höcke bezweifelten anschließend öffentlich die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts. Die AfD argumentierte unter anderem damit, dass der Sohn eines Verfassungsrichters Abgeordneter in der CDU-Fraktion ist - und warf dem betroffenen Richter Befangenheit vor. Sie stellte aber auch die Unabhängigkeit des Gerichts grundsätzlich infrage. Thüringens AfD-Fraktionschef Björn Höcke etwa sagte: „Dort sitzt keiner, der nicht das richtige Parteibuch hat.“

Stellvertretender Verfassungsrichter mit AfD-Ticket 

Inzwischen wurde mit Bernd Falk Wittig auch ein AfD-Kandidat zum stellvertretenden Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gewählt. Brandau sagt, es sei bei Juristen üblich, alles Politische abzulegen, wenn man Richterin oder Richter werde. „Dann hat man vielleicht noch eine bestimmte Weltanschauung, mit der man auf Fälle draufguckt, aber man argumentiert nicht politisch“, sagte sie. 

Was aber, wenn sich daran nicht mehr alle halten? Die Verfassungsrichter behandelten in der Regel sehr wichtige Fälle. „Und bei so wichtigen Fällen, will man natürlich auch, dass sie kontrovers diskutieren und jeden Blickwinkel mal einnehmen. Doch damit das funktioniert, ist das Beratungsgeheimnis unheimlich wichtig. Was passiert, wenn man sich da plötzlich nicht mehr so sicher sein kann?“

Bei einigen Verfassungsgerichten seien bei Entscheidungen auch Sondervoten möglich. Einzelne Richterinnen und Richter können darin zum Ausdruck bringen, dass sie anderer Auffassung sind. „Was passiert, wenn jemand unter dem Briefkopf des Gerichts eindeutig nicht vertretbare Dinge von sich gibt?“, gibt Brandau zu Bedenken. Noch problematischer könnte es aus ihrer Sicht werden, wenn immer mehr autoritär-populistische Richter einflussreiche Posten bekommen und Mehrheiten organisieren können.