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Neue Spur? Fall Maddie: Polizei durchsucht Kleingarten in Hannover

Seit 13 Jahren fehlt von der in Portugal entführten kleinen Maddie jede Spur. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat einen Deutschen als Mordverdächtigen im Visier. Können im Erdreich eines Kleingartens in Hannover Spuren gesichert werden?

Von Michael Evers und Christina Sticht, dpa 28.07.2020, 21:40
Peter Steffen
Peter Steffen dpa

Hannover (dpa) - Wird jetzt auch in Hannover nach der 2007 verschwundenen Maddie gesucht? Ein orangefarbener Kleinbagger schaufelt Erde in einem Kleingarten zur Seite, mit Spaten und Harke durchkämmen Polizisten den sandigen Boden.

Vor Beginn des Einsatzes in der ansonsten verwaist wirkenden Kleingartenkolonie am Stadtrand von Hannover wurden Büsche beseitigt, sie füllen zwei Container an der abgesperrten Zufahrt.

Die Grabungen stehen im Zusammenhang mit der 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen dreijährigen Maddie McCann - dies bestätigt die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Der 43-jährige Deutsche, gegen den in diesem spektakulären Fall wegen Mordes ermittelt wird, soll nach dem Verschwinden der Britin in Hannover gelebt haben. Über die Durchsuchung unter Beteiligung des Bundeskriminalamtes (BKA) hatte zuerst die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" berichtet.

Ein Sichtschutzzaun soll Blicke abwehren. Ein Beamter mit einem Spürhund kommt auf die Parzelle, auch Spurensicherer in weißen Anzügen sind da. Was das Großaufgebot der Polizei zu finden hofft, verraten die Ermittler nicht. Auf ein, zwei Grundstücken der Kolonie werde im Sommer manchmal gegrillt, sagt eine Nachbarin, die mit Walkingstöcken vorbeikommt. Bäume verdecken den Blick auf das zwischen einem Stichkanal und der Straße liegende Gelände. "Der hat ja hier gewohnt", sagt eine Passantin, als sie erfährt, dass es um den Verdächtigen im Fall Maddie geht.

Bis zum Sonnenuntergang am Dienstagabend waren die Beamten auf der Parzelle beschäftigt, immer höher häufte sich das Erdreich auf. Zur Sicherung des Einsatzortes blieben einige Beamten vor Ort. Am Mittwoch soll die Durchsuchung weitergehen.

Der wegen anderer Delikte in Kiel inhaftierte 43-Jährige steht im Verdacht, Maddie 2007 entführt zu haben. Die Ermittler in Deutschland sind überzeugt, dass das Mädchen tot ist. Am 3. Mai 2007 soll der Mann zu "tatrelevanter" Zeit in Praia da Luz mit dem Handy telefoniert haben. Das BKA ermittelt nach Zeugenhinweisen bereits seit 2013 im Fall Maddie gegen den Deutschen - allerdings reichten die Indizien bislang für eine Anklage nicht aus.

Der Verdächtige äußert sich nicht zu den Mordvorwürfen. "Nach Akteneinsicht sehen wir weiter", sagt sein Anwalt Friedrich Fülscher am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Das Landgericht Braunschweig hatte den 43-Jährigen Ende 2019 wegen schwerer Vergewaltigung unter Einbeziehung früherer Strafen zu sieben Jahren Haft verurteilt. Er hatte 2005 in Praia da Luz eine damals 72-jährige Amerikanerin vergewaltigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Mann ist auch wegen sexuellen Kindesmissbrauchs vorbestraft. Die Ermittler in Braunschweig sind für den Fall zuständig, weil der Verdächtige seinen letzten offiziellen deutschen Wohnsitz in der Stadt hatte. Jedoch lebte er auch in der niedersächsischen Landeshauptstadt, Medienberichten zufolge seit 2007.

Nach Recherchen der Zeitung "Neue Presse" schlief er in einem Transporter auf einem Werkstattgelände - rund vier Kilometer von dem Kleingarten entfernt. Das Amtsgericht Hannover verurteilte ihn 2010 wegen Urkundenfälschung und 2013 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls zu Geldstrafen. In den Jahren 2013 bis 2015 pendelte er laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover zwischen Deutschland und Portugal. Ende 2012 eröffnete der Mann zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin einen Kiosk in Braunschweig. Nach der Trennung führte er den Laden allein weiter, anderthalb Jahre später gab er ihn und die angrenzende Wohnung auf.

Nach einem erneuten Zeugenaufruf in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" zum Fall Maddie Anfang Juni gingen mehr als 800 Hinweise bei den Ermittlern ein. Zudem werden europaweit ungeklärte Verbrechen beziehungsweise Vermisstenfälle überprüft, ob es Bezüge zu dem verurteilten Sexualstraftäter geben könnte. Ermittler in Belgien und den Niederlanden öffneten alte Akten noch einmal.

Anfang Juli hatte die portugiesische Polizei mit Hilfe von Tauchern in drei Brunnen nach der vor 13 Jahren verschwundenen Maddie gesucht - ohne Erfolg.

© dpa-infocom, dpa:200728-99-953091/5