Gesellschaft Friedrichshain-Kreuzberg will mehr Vielfalt an den Ampeln
Die Bezirksbürgermeisterin in Friedrichshain-Kreuzberg wünscht sich gleichgeschlechtliche Ampelpärchen. Die Verkehrssenatorin winkt nicht gleich ab. Aber erstmal wird geprüft.
Berlin - Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg würde gerne an Fußgängerampeln künftig neben Ampelmännchen auch gleichgeschlechtliche Ampelpärchen zeigen. Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) wandte sich deshalb Mitte Juni schriftlich an Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) und bat um Unterstützung. „Lassen Sie uns gemeinsam in Friedrichshain-Kreuzberg ein klares Zeichen setzen und hier die ersten gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen von Berlin installieren“, heißt es in dem Schreiben, das der dpa vorliegt. Zuvor hatte die Tageszeitung „B.Z.“ berichtet.
„Friedrichshain-Kreuzberg ist ein bunter Bezirk. Wir stehen für Offenheit, Toleranz und Vielfalt ein“, argumentiert Herrmann. „Ich möchte für den Bezirk das erreichen, was in anderen Großstädten wie beispielsweise München oder Wien gängig ist: Diverse, gleichgeschlechtliche Ampelpärchen als klares, sichtbares Statement für eine vielfältige Gesellschaft.“
Die Sprecherin der Verkehrsverwaltung, Britta Elm, sagte dazu am Dienstag: „Wir werden das wohlwollend prüfen mit Blick auf das nächste Jahr.“ In Frage komme zum Beispiel der Pride Month rund um den Christopher Street Day. Aus Sicht der Senatsverwaltung ist das Projekt zumindest zeitlich befristet möglich. Die zuständigen Fachleute der Verkehrsverwaltung müssten sich dazu abstimmen und prüfen, was mit der Straßenverkehrsordnung vereinbar sei. „Und dann gucken wir, was dabei rauskommt.“
Laut „B.Z.“ ist Schreiner offen für den Vorstoß: „Es ist eine charmante Idee, denn die Sichtbarkeit der LGBTIQ*-Community gehört in Berlin dazu“, ließ die Verkehrssenatorin der Zeitung mitteilen. Die englische Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Menschen, intergeschlechtliche sowie queere Menschen - das Sternchen ist Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter.
Grünen-Fraktions-Chef Werner Graf findet die Idee so gut, dass er sich gleichgeschlechtliche Ampelpärchen nicht nur für Friedrichhain-Kreuzberg wünscht: „Queeres Leben und Lieben gehört genauso zu Berlin wie die Kult-Ampelmännchen selbst“, sagte er. „Das sollte auch hier und dort durch ein queeres Ampelpärchen in der ganzen Stadt sichtbar sein.“
Als queer bezeichnen sich nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.
Auch die queerpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Lisa Knack, kann dem Vorstoß grundsätzlich viel abgewinnen: „Die Idee an sich finde ich gut“, sagte sie am Dienstag. Eher skeptisch sieht sie die Frage, ob es notwendig wäre, das berlinweit umzusetzen. Und Knack plädiert dafür, beim Thema Vielfalt an der Ampel nicht bei queeren Paaren stehenzubleiben, sondern zum Beispiel auch Menschen im Rollstuhl darzustellen. „Es wäre schön, wenn man die komplette Bandbreite der Diversität Berlins zeigen könnte.“
Der queerpolitische Sprecher der Links-Fraktion und ehemalige Kultursenator Klaus Lederer sieht den Vorstoß mit gemischten Gefühlen: „Es ist schön zu sehen, dass große Einigkeit besteht, dass queere Sichtbarkeit zu Berlin gehört“, sagte er. Das könne sich dann gern auch auf Fußverkehrsampeln zeigen. „Entscheidend ist, dass der Anspruch der Regenbogenhauptstadt nicht zum Tourismus-Marketing-Slogan verkommt und Politik sich dazu in Symbolen erschöpft“, warnte er.
„Es gibt viel tun, um gegen queerfeindliche Diskriminierungen und auch institutionelle Defizite anzugehen - von der Jugendarbeit über die Antidiskriminierungs- und Bildungspolitik bis zur Wohnungslosenhilfe“, so Lederer. „Das sollte angesichts all der Freude über queere Sichtbarkeit in Berlin nicht vergessen werden.“