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Politiker beklagen VerrohungHausbewohner sticht auf Stadt-Mitarbeiter ein

In Köln wird ein Stadt-Mitarbeiter bei einem Hausbesuch getötet. Nicht nur in der Domstadt ist die Bestürzung über die Tat groß. Politiker und Gewerkschaftsvertreter beklagen eine zunehmende Verrohung und mangelnden Respekt.

Von Petra Albers, Esra Ayari und Volker Danisch, dpa 13.12.2019, 16:35

Köln (dpa) - Zwei Mitarbeiter der Kölner Stadtkämmerei wollen bei einem säumigen Bürger Geld eintreiben - doch der vermeintliche Routine-Einsatz endet tödlich. Ein 47-jähriger Stadt-Mitarbeiter ist bei einem Hausbesuch erstochen worden.

Seine Kollegin blieb bei der schrecklichen Tat äußerlich unverletzt, kam aber mit einem Schock ins Krankenhaus. Der festgenommene Täter ist nach Angaben der Polizei durch eine psychische Erkrankung vermutlich schuldunfähig. Der Fall löste umgehend eine Diskussion über eine Verrohung der Gesellschaft und Angriffe auf Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes aus.

Die beiden Kölner Stadt-Bediensteten arbeiteten in der Vollstreckungsabteilung der Kämmerei. Deren Mitarbeiter suchen Schuldner auf, die offene Rechnungen auch nach mehreren Mahnungen noch nicht beglichen haben. Sie versuchen, das Geld einzutreiben und können auch Pfändungen vornehmen.

Als der 47-Jährige und seine 57 Jahre alte Kollegin am Freitagvormittag an einem Mehrfamilienhaus im rechtsrheinischen Stadtteil Dünnwald klingelten, öffnete ein Bewohner ihnen die Tür - und stach laut Polizei unmittelbar auf den Stadt-Mitarbeiter ein. Ein Notarzt konnte ihn nicht mehr retten.

Nach ersten Ermittlungen gebe es Anhaltspunkte dafür, dass der Verdächtige - ein 60-jähriger Deutscher - zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Die Staatsanwaltschaft will seine Unterbringung in einer Psychiatrie beantragen. Der Mann soll laut Polizei im März schon einmal eine städtische Mitarbeiterin mit einem Schraubendreher angegriffen und leicht verletzt haben.

Der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) war die Erschütterung wenige Stunden nach der Tat deutlich anzusehen. "Es ist ja ganz unvorstellbar, dass man morgens zum Dienst geht - und kehrt nicht mehr zurück", sagte Reker, die vor vier Jahren selbst Opfer eines Messerangriffs war. "Die Verrohung unserer Gesellschaft scheint keine Grenzen mehr zu kennen." Dies beginne bei der Sprache und ende mit solchen Taten.

"Ich glaube, wir brauchen in unserer Gesellschaft dringend eine Debatte über Respekt gegenüber Amtsträgern", mahnte auch der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). "Die zunehmende Gewalt gegenüber diesen Menschen, die im Auftrag der Allgemeinheit unterwegs sind, bereitet mir wirklich Sorge." Der Vorsitzende des Deutsche Beamtenbund NRW, Roland Staude, teilte mit: Die Tat zeige, dass die Hemmschwelle für Gewalt gegen staatliche Beschäftigte immer weiter sinke.

Am Tatort suchten Polizeibeamte nach Spuren. Der Zugang zu dem in einer ruhigen Einbahnstraße gelegenen unscheinbaren Mehrfamilienhaus war mit Flatterband abgesperrt. Ein Nachbar erzählte: "Ich habe am offenen Fenster gesessen. Plötzlich kamen die alle mit Blaulicht."

Oberbürgermeisterin Reker sicherte den Mitarbeitern der Kämmerei psychologische Unterstützung zu. Sie seien alle bestürzt und niedergeschmettert - genau wie sie selbst. "Es ist schon so, dass in solchen Situationen auch eigene Erlebnisse zurückkommen", sagt Reker, die einen Tag vor der OB-Wahl 2015 bei einem Messerattentat schwer verletzt worden war. "Wahrscheinlich wird man das auch nie ganz verdrängen können."