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Agrar Hessens Kelterer starten Apfelwein-Saison: Schlechte Ernte

Trotz eines drastisch geringeren Ernteertrags starten die Kelterer die Apfelweinproduktion. Das Traditionsgetränk kommt auch in neuer Gestalt daher. Die Zukunft der Streuobstwiesen hingegen macht Sorgen.

Von dpa Aktualisiert: 25.09.2021, 08:27
Ein Mann fährt mit einer Apfellesemaschine über die Obstwiese.
Ein Mann fährt mit einer Apfellesemaschine über die Obstwiese. Arne Dedert/dpa

Kelkheim - Äppelwoi, Äppler oder ganz einfach Apfelwein: Am Donnerstag haben die Kelterer offiziell mit der diesjährigen Herstellung des hessischen Nationalgetränks begonnen. Dafür haben sie jedoch weniger „Rohmaterial“. Mancherorts habe es rund 75 Prozent weniger Äpfel gegeben als im Vorjahr, sagte der Vorsitzende des Verbands der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaftkeltereien, Martin Heil, bei der Saisoneröffnung in Kelkheim (Taunus). „Uns fehlt in diesem Jahr leider Kelterobst“, bedauerte Heil.

Schuld daran sei etwa der späte Frost. Die Qualität der Früchte habe darunter allerdings nicht gelitten. Daher bleibt Heil getreu dem Motto „weniger Masse, mehr Klasse“ optimistisch: „Ich bin sicher, dass wir einen äußerst schmackhaften Jahrgang keltern werden.“ Wegen des geringen Ertrags rief Heil alle Besitzerinnen und Besitzer von Streuobstwiesen dazu auf, ihre Äpfel zu ernten und in die Keltereien zu bringen. Nach einer vergleichsweise guten Ernte 2020 zähle in dieser Saison schließlich jeder Apfel.

„Die Streuobstbäume hängen nicht so voll wie im vergangenen Jahr“, stellte auch der Sprecher des Hessischen Bauernverbandes, Bernd Weber, fest. Ihm zufolge gibt es diesmal etwa 40 Prozent weniger Äpfel. 2020 sei der Ertrag noch vergleichsweise gut gewesen - in der folgenden Saison falle die Ernte dann regelmäßig schlechter aus.

„Da spricht man dann von der sogenannten Alternanz“, erklärte Weber. „Beim Streuobst stellt man immer wieder fest, dass nach einem sehr guten Jahr ein schlechtes Jahr folgt.“ Dennoch ist er für die anstehende Keltersaison zuversichtlich: „Ich denke, dass die Hessen trotzdem ihr „Stöffche“ genießen können und daraus genug Apfelwein und Apfelsaft gepresst werden kann.“

Um den Äppelwoi auch moderner erscheinen zu lassen, bietet das Unternehmen Bembel With Care Apfelwein in Dosen an. Die Marke sei speziell entwickelt worden, um gegen das verstaubte Image des Äpplers in braunen Glasflaschen mit Aquarelletiketten anzukämpfen, sagte Sprecherin Selina Traumer. „Der Apfelwein darf nicht in Vergessenheit geraten, die Apfelkultur auch nicht.“

Laut Traumer kommt unter jungen Leuten etwa besonders gut an, dass sie den Apfelwein in Dosen statt in traditionellen, schweren Bembeln überall hin mitnehmen können. Auch neue Mix-Variationen des Traditionstrunks wie Varianten mit Kirsche oder Quitte kämen gut an.

Der Verband der Hessischen Apfelwein- und Fruchtsaftkeltereien freut sich über starkes Interesse am „Stöffche“. Für die Ausbildung zum Apfelweinwirt oder -sommelier, die in Kooperation etwa mit dem Dehoga Hessen und der Marketing-Gesellschaft „Gutes aus Hessen“ angeboten wird, gebe es schon Wartelisten, sagt eine Sprecherin. „Vor allem junge Leute sind offen für unsere Apfelwein-Akademie.“ Vom Gastwirt bis zum privaten Äppelwoi-Liebhaber kämen dort unterschiedliche Fans des hessischen Nationalgetränks für mehrtägige Seminare zusammen.

Nachwuchs für den Anbau von Äpfeln und das Betreiben von Streuobstwiesen zu finden, sei hingegen schwieriger, sagte Weber. Die Rahmenbedingungen für den Beruf seien nicht besonders attraktiv. „Der Obstanbau ist sehr arbeitsintensiv“, sagte er. In diesem Jahr gebe es in Hessen nur vier Auszubildende im Ausbildungsberuf Gärtner mit der Fachrichtung Obstbau. „Das ist sehr ernüchternd und enttäuschend.“

Auch Rouven Kötter, Erster Beigeordneten des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain, sorgt sich um die Zukunft der Äpplerproduktion. „Es fehlt an Leuten, die anpacken. Die Streuobstwiesen sollen nicht zu einer Kindheitserinnerung der jetzigen Generation werden, sondern auch für künftige Generationen noch da sein.“ Dabei sei es etwa mit Fördergeld aus der Politik nicht getan. „Es braucht Leute, die tatsächlich auf die Wiese gehen und sich darum kümmern.“