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Prozess in Berlin Mord im Tiergarten: Angeklagter will Tote gefunden haben

Der gewaltsame Tod einer Kunsthistorikerin im Berliner Tiergarten hat bundesweit Entsetzen ausgelöst - und eine erneute Debatte bewirkt über den Umgang mit Kriminellen, die eigentlich ausreisen müssten. Knapp sieben Monate später beginnt der Prozess.

Von Anne Baum, dpa 28.03.2018, 15:49

Berlin (dpa) – Der mutmaßliche Mörder zeigt keine Regung, als ihm der Ehemann der getöteten Kunsthistorikerin im Berliner Landgericht gegenüber sitzt.

Der 18-Jährige soll die 60 Jahre alte Frau auf ihrem Heimweg im Berliner Tiergarten attackiert, erwürgt und ausgeraubt haben. Zu Prozessbeginn am Mittwoch schwieg der aus Tschetschenien stammende Mann zwar, drei Wochen zuvor aber hatte er bestritten. Er habe die Tote gefunden und nach Wertgegenständen durchsucht, hatte der Angeklagte in einem Haftprüfungstermin erklärt.

In dem Prozess wirft die Staatsanwaltschaft dem russischen Staatsangehörigen ohne festen Wohnsitz in Deutschland heimtückischen Mord aus Habgier und Verdeckungsabsicht vor. Der 18-Jährige soll die Kunsthistorikerin am 5. September 2017 auf dem Weg von einer beliebten Gaststätte zum Bahnhof Zoo im Tiergarten umgebracht haben. Mit mindestens zwei Euro und dem Handy des Opfers sei er geflohen, so die Anklage.

Die 60-Jährige kam von einem Treffen mit drei Freundinnen. Die Frauen gehörten nun zu den ersten Zeuginnen. "Sie war ein wunderbarer Mensch, wir vermissen sie so", schilderte eine 55-Jährige. "Sie war eine, die wahrscheinlich um ihre Tasche gekämpft hätte, eine taffe Frau", sagte eine 68-Jährige. Nach ihrer Befragung fielen sich die Freundinnen weinend in die Arme.

Der Ehemann der Getöteten ist einer der Nebenkläger. Schweigend hatte er am Morgen den Saal betreten. Später trat er vor die Kameras. "Er macht den Eindruck, als ginge ihn der ganze Prozess nichts an", sagte der 67-Jährige über den Angeklagten. Er werde die Verhandlung genau verfolgen, sagte der Witwer. "Ich erwarte die Wahrheit." Dass sich der vorbestrafte Tschetschene unbehelligt in Berlin bewegen durfte, sei aus seiner Sicht ein "fahrlässiges Verhalten der Behörden".

Das Verbrechen hatte eine erneute Debatte über den Umgang mit ausländischen Kriminellen ausgelöst, die eigentlich ausreisen müssten, aber nicht abgeschoben werden. Gegen den 18-Jährigen war nach einer Verurteilung wegen Raubes von der Ausländerbehörde im November 2015 angeordnet worden, ihn nach Verbüßung der Strafe Ende 2016 auszuweisen. Es habe dann eine Zusage der russischen Seite gefehlt, den Minderjährigen unterzubringen, hieß es später.

Der 18-Jährige hatte bei einem Haftprüfungstermin erklärt: "Es war vielmehr so, dass ich den Leichnam in den Morgenstunden des 6. September gefunden habe." Zur Tatzeit in der Nacht zuvor gegen 22.15 Uhr sei er in einem Internetcafé gewesen und habe größere Mengen Alkohol getrunken. Den Leichnam habe er entdeckt, als er sich in einem Gebüsch erleichtern wollte. "Ich bekam zwar Panik, das hinderte mich aber nicht daran, die Person zu durchsuchen", hieß es weiter.

Die Leiche wurde erst drei Tage später von Passanten entdeckt. Der Angeklagte wurde über das geraubte Handy ermittelt und eine Woche nach dem Gewaltverbrechen in Polen in der Nähe von Warschau festgenommen. Damals hatte er erklärt, er habe das Handy der Frau auf einem Markt für 80 Euro erstanden. Auch an der Leiche sichergestellte DNA-Spuren sollen den 18-Jährigen belasten. Der Prozess vor einer Jugendstrafkammer wird am 11. April fortgesetzt.