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Flüchtlinge Sachsen-Anhalt, Thüringen: Kaum noch Kirchenasyl

Wenn schutzsuchenden Menschen in Deutschland die Abschiebung oder Rückführung in andere Länder droht, kann Kirchenasyl ein Ausweg sein. Solche Fälle sind in Sachsen-Anhalt und Thüringen selten geworden. Gründe dafür gibt es gleich mehrere.

Von dpa 22.01.2022, 09:02
Das Kreuz einer Kirche ist in der Abenddämmerung zu sehen.
Das Kreuz einer Kirche ist in der Abenddämmerung zu sehen. Friso Gentsch/dpa/Symbolbild

Erfurt/Magdeburg - In den Corona-Jahren hat es in Thüringen und Sachsen-Anhalt nur wenige Fälle von Kirchenasyl gegeben. Bei der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) gibt es derzeit insgesamt zehn Kirchenasyle, teilte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur mit. Drei davon im EKM-Gebiet in Sachsen-Anhalt für vier Frauen, einen Mann und zwei Kinder. Sieben weitere in Thüringen für insgesamt zehn Erwachsene und drei Minderjährige. Vier dieser Kirchenasyle haben in diesem Jahr erst begonnen.

Die Hauptherkunftsländer sind hierbei Afghanistan, Syrien und Iran. Fast alle Kirchenasyle betreffen die Abschiebung in ein anderes Land der Europäischen Union.

Seit über 30 Jahren wird in Deutschland Kirchenasyl praktiziert und dadurch Flüchtlingen in kirchlichen Räumen Schutz gewährt. Es ist oft die letzte Möglichkeit, um eine Abschiebung zu verhindern.

EKM-Landesbischof Friedrich Kramer sprach sich klar dafür aus. „Ich finde, dass alle religiösen Orte auf der Welt Asyl-Charakter haben sollten.“ Gleichzeitig lebe man in einem Rechtsstaat mit sinnvollen Regeln. „Aber wie in jeder rechtsstaatlichen Struktur ist es so, dass manchmal auch formal entschieden wird, die ganz konkrete Situation nicht im Blick ist. Und dass Menschen für Menschen einstehen und sagen „Ja, wir sehen, dass du jemand bist, für den wir uns einsetzen“ finde ich auch solidarisch ein ganz klares Zeichen“, sagte Kramer.

Die Zahlen seien insgesamt rückläufig, weil auch die Zahl der Zuflucht suchenden Menschen abnahmen. „Und ich glaube, das hat auch was mit der Aussicht auf Erfolg zu tun“, sagte Kramer. „Da sind teilweise härtere Bandagen angelegt worden, was den Menschen wieder verunsichert, ob es Sinn hat oder nicht.“ Es sei sehr beunruhigend, wenn Kirchenasyl nicht geachtet werde.

Man prüfe im Einzelfall, ob eine besondere, unverhältnismäßige Härte vorliege, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) mit. Werde diese nicht festgestellt, müssten die abgelehnten Asylbewerberinnen und Asylbewerber innerhalb von drei Tagen nach der Mitteilung das Kirchenasyl verlassen. Man sehe das Kirchenasyl „nur als Ultima Ratio“. Es stelle kein eigenes Rechtsinstitut dar, sondern werde als Ausdruck einer christlich-humanitären Tradition respektiert. Ein unverhältnismäßiger Gebrauch gefährde diese Tradition, hieß es.

Das Bundesamt zählte im Jahr 2021 deutschlandweit 822 Kirchenasylmeldungen mit 1231 Menschen. Die gemeldeten Kirchenasylfälle stellten ganz überwiegend keine Härtefälle dar. Dennoch führe die Ablehnung des Bamf nur in begrenztem Umfang zum Verlassen des Kirchenasyls: Im Jahr 2021 verließen die Betroffenen in keinem Fall das Kirchenasyl nach einer ablehnenden Entscheidung.

In der Katholischen Kirche in Thüringen lag zwischen 2019 und 2022 kein einziger Fall vor. Auch im Bistum Magdeburg lagen keine Informationen über Kirchenasyle in den Jahren der Corona-Pandemie vor. Der für das Kirchenasyl im Bereich der Katholische Kirche in Thüringen zuständige Claudio Kuhlmann betonte, dass das Kirchenasyl eine besondere Herausforderung darstelle. Viele der sowieso schon kleinen Gemeinden könnten die ständige Aufgabe der Betreuung für meist mehrere Monate weder personell noch finanziell stemmen.

„Es gibt zudem bessere Möglichkeiten, in Härtefällen beizustehen“, sagte Kuhlmann, der selbst in der Härtefall-Kommission sitzt. Wenn ein Mensch nur noch eine Duldung hat, also ausreisepflichtig ist, kann ein solcher gestellt werden. „Das Kirchenasyl kommt deshalb faktisch auch nur noch für einen sehr kleinen Bereich von Personen in Betracht.“ Nämlich dann, wenn juristische Möglichkeiten ausgeschöpft seien. Es müsse aber immer eine humanitäre Lösung für den Einzelfall geben, sagte Kuhlmann. Dafür bleibe es ein wichtiges Instrument, das man auch verteidigen werde.