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10 Millionen Hörer betroffen Streit ums UKW-Radio: Dienstleister droht mit Abschaltung

UKW-Empfang ist für die meisten Menschen in Deutschland die wichtigste Art, Radio zu hören. Ein Dienstleister bringt wegen eines Streits um Geld die Zwangs-Abschaltung ins Spiel. Zehn Millionen Hörer könnten angeblich betroffen sein. Was steckt dahinter?

06.04.2018, 14:56

Frankfurt/Main/Köln (dpa) - In einem Streit um die Bezahlung von UKW-Übertragungen drohen Dienstleister mehreren großen Radiosendern mit Abschaltung. Die Firma Media Broadcast kündigte an, kommende Woche die Sender abzuschalten, die bis dahin bestimmte Bedingungen nicht zeitnah erfüllt haben.

"Bis zu zehn Millionen Hörer könnten schon ab Mittwoch von einer Abschaltung ihrer UKW-Radiosender betroffen sein", sagte Media-Broadcast-Chef Wolfgang Breuer der Tageszeitung "Die Welt" (Freitag).

Neben privaten Radiosendern wird auch dem MDR, dem NDR in Mecklenburg-Vorpommern und Deutschlandradio die UKW-Abschaltung angedroht. Sie betreiben keine eigene Sende-Infrastruktur, sondern haben Sendernetzbetreiber wie Uplink aus Düsseldorf und Divicon aus Leipzig beauftragt. Diese Firmen müssen nun mit den Antennenbetreibern die Preise für die Miete der Antennen aushandeln, was bislang nicht gelungen ist.

Der Norddeutsche Rundfunk blickt nach eigenen Angaben "mit Sorge" auf die aktuellen Entwicklungen. "Unsere Hörerinnen und Hörer in Mecklenburg-Vorpommern dürfen nicht Opfer finanzieller Verhandlungen von technischen Dienstleistern werden", sagte Sprecher Martin Gartzke. "Wir hoffen auf einen zügigen und konstruktiven weiteren Verlauf und Abschluss der Verhandlungen."

Betroffen sein könnte auch der hessische Privatsender Hit Radio FFH mit seinen drei Programmen. Der Geschäftsführer und Programmdirektor von Hit Radio FFH, Hans-Dieter Hillmoth, sprach auf dpa-Anfrage von einem großen Poker um Verträge und Preise und nannte die Ankündigung eine Drohgebärde. "Letztlich ist das auch ein bisschen Erpressung." 80 Prozent der Radiohörer empfingen die Programme noch über UKW. Er glaube aber nicht, dass Radioprogramme tatsächlich nicht mehr über UKW ausgestrahlt werden, sollte es keine Einigung geben, sagte Hillmoth.

Scharfe Kritik an den Drohszenarien kam auch von Deutschlandradio: "Der Ausfall von UKW-Frequenzen ist vermeidbar und für Deutschlandradio nicht akzeptabel", sagte dessen Verwaltungs- und Betriebsdirektor Rainer Kampmann. Sein Haus werde alle nötigen Schritte einleiten, um die UKW-Verbreitung sicherzustellen.

Hintergrund des Streits ist, dass der Dienstleister Media Broadcast sich aus dem Geschäft mit den terrestrischen UKW-Antennen und Sendeanlagen zurückzieht und nur noch übergangsweise bis zur Jahresmitte den Sendebetrieb aufrechterhält. Während im Wesentlichen zwei Unternehmen den Sendenetzbetrieb übernommen haben, wurden die daran montierten Antennen an mehrere Investoren verkauft. Nun werden höhere Preise für die Nutzung der Antennen verlangt.

FFH-Geschäftsführer Hillmoth sagte, die Sendergruppe Hit Radio FFH habe pro Jahr etwa 2,5 Millionen Euro Senderkosten. Die Antennenbesitzer verlangten nun teilweise bis zu 50 Prozent mehr, was für die rein über Werbung finanzierten Sender ein massives Problem sei.

Damit die Beteiligten mehr Zeit für die Preisverhandlungen haben, hat sich Media Broadcast nach Angaben eines Sprechers vom Freitag unter bestimmten Bedingungen bereiterklärt, noch bis Ende Juni den Betrieb von UKW zu gewährleisten. Dazu müsse das Unternehmen allerdings mit der Weiterverbreitung beauftragt werden - entweder von den Radioanbietern oder den neuen Sendernetzbetreibern.

Bislang seien bei Media Broadcast aber nur die Aufträge von einem Viertel der 40 betroffenen Radioveranstalter eingegangen, sagte der Media-Broadcast-Sprecher der dpa. Es gebe jetzt noch eine letzte Frist bis Montagvormittag. "Wer sich bis dahin nicht gemeldet hat, wird am Mittwoch abgeschaltet", sagte Unternehmenschef Breuer der "Welt".

Radio NRW zeigte sich "in höchstem Maß irritiert über das gesamte Verfahren". Geschäftsführer Sven Thölen sagte auf dpa-Anfrage: "Derartige Drohungen" seien "nicht nachvollziehbar". Bei einem runden Tisch sei bisher der Minimalkonsens herausgekommen, "bundesweit bis Ende April respektive Ende Juni 2018 von Abschaltszenarien Abstand zu nehmen". Radio NRW gehe davon aus, dass alle Beteiligten sich daran hielten und die Zeit nutzten, um "Lösungen zu erarbeiten, die auf Dauer tragfähig sind".

Deutschlandradio-Vertreter Kampmann stellte heraus: "Wir fordern die Akteure auf, unverzüglich ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen und die nach dem Verkauf der UKW-Infrastruktur noch offenen Vertragsfragen schnellstmöglich zu klären." Sollte es "wider Erwarten" zu Störungen oder Ausfällen kommen, werde Deutschlandradio "umgehend und mit der gebotenen Konsequenz die notwendigen rechtlichen und tatsächlichen Schritte einleiten, um die UKW-Verbreitung seiner öffentlich-rechtlich beauftragten Programme sicherzustellen", so Kampmann. "Wir tun alles, um eine mögliche Abschaltung zu verhindern."

Der Mitteldeutsche Rundfunk wollte sich nicht im Detail zu den Verhandlungen äußern. MDR-Betriebsdirektor Ulrich Liebenow betonte jedoch: "Es wird in der nächsten Woche keine Abschaltungen von UKW-Frequenzen geben, über die der MDR seine Programme verbreitet." Der Sender sehe die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt ebenso wie die Politik in der Pflicht - sie sollen den massiven Auswirkungen des UKW-Antennenverkaufs entgegenwirken.